Am Sonntag entscheidet Griechenland in einem Referendum über den künftigen Kurs in der EU. Auch ihre Landsleute in Deutschland bekennen Farbe.
Der in Lohr lebende Joannis Komianos, Mitglied in der Partei Die Linke, urteilt kritisch über die Tsipras-Regierung. Sie habe im Wahlkampf zu viel versprochen. Allerdings betont er auch, dass den Griechen durch die Euro-Länder nicht ernsthaft geholfen werden könne, weil diese den Griechen das Abbezahlen ihrer Schulden nicht ermöglichen würden. Sie stellten zu hohe Forderungen. Das anstehende Referendum wertet er als hinfällig, weil momentan „gar keine Vorschläge auf dem Tisch liegen, über die man abstimmen kann“.
Erst nach der Volksabstimmung, die er mit Nein beantwortet hätte, fliegt er zum Urlaubmachen nach Griechenland. Er möchte dabei auch seine Geschwister, die bei Korinth leben, besuchen. Sie leiden unter den aktuell schon gültigen Rentenkürzungen und den knappen Auszahlungsbeträgen an den Geldautomaten.
Die Gastronomen Costa Skafidas (Lohr), Jannis Karapanageotes (Wertheim) und Konstantin Nikou (Marktheidenfeld) berichten, dass sie von Gästen oft auf die Krise in ihrer Heimat angesprochen werden.
Costa Skafidas meint, dass die Tsipras-Regierung die „beste ist, die Griechenland je hatte“, weil sie nicht in die eigene Tasche wirtschafte, sondern sich „für das ganze Volk“ einsetze. Am Sonntag wäre er gern in seine Heimat Kreta geflogen, um beim Referendum mit Nein zu stimmen. Aber das ist ihm zeitlich nicht möglich. Für die weiteren Verhandlungen zwischen Griechenland und der Troika erwartet er ein Entgegenkommen von allen Seiten.
Der Wertheimer Karapanageotes wertet die Krise als „menschliche Katastrophe“, die von allen Beteiligten provoziert werde. Da seit fünf Jahren und unter fünf Regierungen keine Lösung gefunden worden sei, könne man Ministerpräsident Tsipras nicht allein verantwortlich machen. Auch die überdurchschnittlich hohe Mehrwertsteuer von 23 Prozent sieht er als Bremse für das wirtschaftliche Wachstum. Nach dem Referendum erwartet er Neuwahlen oder ein radikaleres Vorgehen Tsipras', der durch ein Nein gestärkt werden würde.
Der Marktheidenfelder Gastronom Nikou hält vor allem „die Unerfahrenheit Tsipras' und die Strenge der Euroländer“ für problematisch. Er kritisiert auch die deutsche Regierung, die nicht einsehen wolle, dass ihre Sparprogramme nicht erfolgreich gewesen seien – und zukünftig auch nicht sein würden. Seine Schwester, die als Ballettlehrerin in Griechenland arbeite, habe enorme Schwierigkeiten, Geld zu verdienen. Mit der Verknappung an den Geldautomaten wolle die EU das Volk erpressen, beim Referendum mit Ja zu stimmen. Seine Eltern, die in der Touristenregion Chalkidiki leben, kommen jedoch gut aus.
Kein Wunder: Die Marktheidenfelder Reisebüros Heller und Panter sehen in ihren Buchungszahlen für Griechenland keine Veränderung. Da für das Land keine Sicherheitswarnungen, wie für Tunesien, ausgegeben würden, seien auch Last-Minute-Angebote unverändert gefragt.
Die Veranstalter weisen aber nachdrücklich darauf hin, „dass die Urlauber genug Bargeld mitnehmen müssen“, um der Knappheit an den Automaten zu entgehen, erklärt Claus Lutz vom Reisebüro Panter.