Reichlich Wehmut schwingt derzeit in den Sitzungen der Stadt- und Gemeinderäte mit, gilt es doch Abschied zu nehmen von manchen Kommunalpolitikern, die die Arbeit der Gremien oft über viele Jahre mitgeprägt haben. Besonders schmerzt dabei die Art und Weise, wie dies in Corona-Zeiten geschehen muss: ohne Händedruck, ohne dankbare Umarmung. Abstand halten ist das Gebot der Stunde, sogar beim Abschiedsfoto. Doch Corona ist nicht die erste Krise für die Bürgervertreter. Einige andere waren schon zu meistern, erinnerte Zweiter Bürgermeister Martin Harth am Donnerstagabend im Marktheidenfelder Rathaus.
Harth hatte die Aufgabe übernommen, der scheidenden Bürgermeisterin Helga Schmidt-Neder Dank zu sagen, und blickte unter anderem auf die Finanzkrise zu Beginn ihrer Amtszeit, die Auseinandersetzung mit Rechtsextremen 2008 oder die Herausforderungen bei der Aufnahme der Flüchtlinge 2015. Stets habe die Bürgermeisterin Ruhe und Überblick bewahrt. Schmidt-Neder habe sich für ein offenes und tolerantes Klima in der Stadt eingesetzt, habe das Rathaus weiblicher gemacht. "Marktheidenfeld – da geht's dir gut" seien ihr Ansporn und Wahlspruch gewesen.

Nie habe die Bürgermeisterin die Stadtteile aus den Augen verloren, wie die dort realisierten oder angestoßenen Projekte zeigten, aber auch in der Stadt selbst sei viel geschehen: Rathauscenter, Wonnemar oder Stadtbibliothek, nannte Harth nur einige Beispiele. Viel habe sie für die Familien in der Stadt bewegt, von der Kinderbetreuung über die Jugendarbeit bis zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Er kündigte an, dass der neue Bürgermeister Thomas Stamm noch eine angemessene Abschiedsfeier für Schmidt-Neder folgen lassen werde.
Bürger an der Entscheidungsfindung beteiligen
Die Bürgermeisterin selbst hatte zuvor mit Dankbarkeit auf ihre zurückliegenden zwölf Amtsjahre geblickt und dabei einige Anliegen herausgehoben, die ihr am Herzen lagen: "Bessere und ausführliche Information, Bürgerbeteiligung und jede nur denkbare Unterstützung für die Familien". Bei den Vorhaben in den Stadtteilen sei es darum gegangen "Treffpunkte jeder Art zu schaffen, die Gemeinschaft erleben lassen und Neubürgern die Möglichkeit zur schnellen Teilnahme geben". Projektgruppen und runde Tische boten die Möglichkeit, sich als Bürger in die Stadtpolitik einzubringen.
- Lesen Sie auch: Der neue Stadtrat – Marktheidenfeld stimmt für einen Umbruch
Der Bau neuer Kindergärten, die barrierefreie Stadt, das beachtliche Kulturprogramm, der Einsatz für die Feuerwehren und das Gewerbe – vieles wurde laut Schmidt-Neder geleistet. Sie dankte allen, die mitgeholfen haben, die Stadt zukunftsfähig und bunt zu gestalten, die dafür sorgen, dass es möglichst vielen Menschen in Marktheidenfeld gut geht. Mit Zuversicht blickte sie in die Zukunft: In Zeiten der Finanzkrise habe es Mut und Rückgrat gebraucht, um Projekte wie Wonnemar oder Rathaus-Center zu realisieren. Die Entscheidungen hätten sich als völlig richtig für die Stadt erwiesen.
Eine unerwartete und erfreuliche Nachricht
Dass es mit Marktheidenfeld trotz Pandemie positiv weitergehen wird, darin bestärke sie eine aktuelle Nachricht über eine unerwartete, einmalige Gewerbesteuernachzahlung. Noch könne sie keine Zahlen nennen, so die Bürgermeisterin auf Nachfrage, doch sei es "eine schöne Summe", die der Stadt überraschend 2020 zufließe. Ihrem Nachfolger Thomas Stamm wünschte sie Mut, Ausdauer, Freude und Zuversicht und rief ihm zu: "Sie übernehmen eine wunderbare Aufgabe!"
Zehn Stadträtinnen und Stadträte werden diesen Neuanfang im Mai allerdings nicht mehr mitgehen: Die Bürgermeisterin verabschiedete nach jeweils sechs Jahren im Ehrenamt Reinhold Braun (Freie Wähler), Martin Gerberich (CSU), Barbara Otter (SPD), Bärbel Gillmann-Bils (FW) und Gerd Rauh (Freie Wähler). Zwölf Jahre gehörte Andrea Hamberger dem Gremium an, in dem sie auch vier Jahre FW-Sprecherin war. 13 Jahre war Werner Reidelbach (FW) im Stadtrat, davor schon fünf Jahre als Ortssprecher von Michelrieth engagiert.
Jeweils 18 Jahre brachten sich im Gremium ein Ragnhild Buczko (SPD), die unter anderem den Anstoß zum Bürgerfest gab, und Klaus Feder (CSU), dessen besonderes Engagement der Städtepartnerschaft galt. Viele Jahre die Kommunalpolitik in Marktheidenfeld mitgeprägt hat Michael Müller, der für die Freien Wähler seit 1990 im Stadtrat saß. In diesen 30 Jahren setzte sich der "Ur-Glasofener" vor allem für die Bewahrung der Eigenständigkeit und die attraktive Gestaltung der Stadtteile ein.