"Das Unrechtsbewusstsein bei den Schülern hat deutlich abgenommen", sagt Bernd Rottenbacher, Leiter des Lohrer Franz-Ludwig-von-Erthal-Gymnasiums, zum Umgang der Schüler mit Handys. Das Lohrer Gymnasium ist wie die Gymnasien in Karlstadt und Marktheidenfeld und die Realschule Karlstadt zwei Jahre lang Handy-Versuchsschule des bayerischen Kultusministeriums. Dabei geht es um eine mögliche Lockerung des bislang geltenden Handyverbots an bayerischen Schulen.

Während die erste Online-Befragung von Schülern, Eltern und Lehrern durch das vom Ministerium beauftragte Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) noch bis 15. Februar läuft, hat das Erthal-Gymnasium bereits im Dezember eine eigene, schulinterne Umfrage gemacht.
Handyverbot? Nie gehört!
Vielen Schülern sei gar nicht klar, dass es ein Handyverbot, also ein Verbot der privaten Nutzung von Handys auf dem Schulgelände gebe, so Rottenbacher. Auf eine entsprechende Frage habe die Hälfte der Schüler mit "Nein" geantwortet. Dabei gebe es sehr wohl Sanktionen. Doch wenn ein Lehrer ein Handy einkassiert, heiße es oft: "Das dürfen wir doch." Bei den Handys sei es wie bei anderen Dingen auch, dass die Gesetzgebung einem gesellschaftlichen Wandel hinterherlaufe.
Die interne Nutzungsordnung für den Handy-Versuch gilt ab 15. Februar, dem Beginn des zweiten Halbjahrs. Der Schulleiter betont: "Ein Versuch kann auch scheitern." Die Regeln seien von einem Arbeitskreis ausgearbeitet, der mit Eltern, Lehrern und Schülern besetzt war. Konkret sei vorgesehen, dass Schüler, die älter als 16 Jahre sind, ihr Handy in den Pausen in einem bestimmten Bereich privat nutzen dürfen. "Ich könnte mir vorstellen, dass wir das sukzessive ausweiten."
Keine Fotos, Videos oder Tonaufnahmen in der Schule
"Die spannende Frage wird nicht sei, ob, sondern für was es genutzt wird", sagt Rottenbacher. Was "auf gar keinen Fall" gehe, sei die Aufzeichnung von Bild, Video oder Ton, da gehe es um Datenschutz, aber auch um den Schutz der Menschenwürde. "Man fotografiert einen Schüler nicht, wenn er auf der Toilette sitzt."
Die Handy-Nutzungsordnung soll zudem pädagogisch begleitet werden. Jetzt schon gebe es in den 5. Klassen einen Wahlkurs "Medienführerschein". Das Interesse sei gewaltig: 95 Prozent der Schüler hätten den Kurs gewählt, das Angebot soll auch auf andere Jahrgangsstufen ausgeweitet werden.

Schule unterstützt überforderte Eltern
Bei der Frage "Wie geht man damit um?" geht es der Schule laut Rottenbacher nicht um die technische Frage – mit ihrem Handy umgehen könnten die Schüler. Vielmehr gehe es um die ethische Frage, etwa darum, was man von sich in sozialen Medien preisgibt oder was man anderen zumuten kann. Ein wichtiges Thema sei dabei das im Internet stark verbreitete Phänomen der Hassrede (Hate Speech), also das Herabsetzen und Beleidigen anderer. "Früher gab's auch Beleidigungen auf dem Schulhof", so Rottenbacher, aber im Internet sei die Hemmschwelle deutlich niedriger. "Wenn nicht wir, wer soll denn die Kinder sonst dementsprechend unterweisen?" Das Gymnasium wolle hier das Elternhaus unterstützen, das oft überfordert sei und vieles gar nicht mitbekomme.
Ältere Schüler haben ihr Handy in der Schule an
In der internen Umfrage im Dezember wurde am Lohrer Gymnasium der Ist-Stand abgefragt. Eine Frage war etwa: "Benutzt du das Handy in der Schule?" Laut Rottenbacher war das Ergebnis, dass die Fünft- und Sechstklässler noch zurückhaltend waren. Entweder haben sie, vor allem Fahrschüler, es dabei, schalten es aber aus. Oder aber sie haben keines. Mit zunehmendem Alter komme dann jedoch ein "Ja klar, ich hab's immer dabei und immer an". Viele geben zu, schon mal im Unterricht draufgeschaut zu haben.
Früher sind private Bücher oder Zeitschriften, die im Unterricht nichts verloren hatten, als "unterrichtsferne Gegenstände" eingestuft worden. Rottenbacher: "So sehe ich das Handy im Grunde immer noch."
Handynutzung an bayerischen SchulenDas "Handyverbot" ist in Artikel 56, Absatz 5 des bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) geregelt. Dort heißt es: "Im Schulgebäude und auf dem Schulgelände sind Mobilfunktelefone und sonstige digitale Speichermedien, die nicht zu Unterrichtszwecken verwendet werden, auszuschalten. Die unterrichtende oder die außerhalb des Unterrichts Aufsicht führende Lehrkraft kann Ausnahmen gestatten. Bei Zuwiderhandlung kann ein Mobilfunktelefon oder ein sonstiges digitales Speichermedium vorübergehend einbehalten werden."