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MARKTHEIDENFELD: Harald Wiesmann: Weinlyrik auf Bali

MARKTHEIDENFELD

Harald Wiesmann: Weinlyrik auf Bali

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    Auf Heimatbesuch: Harald Wiesmann vor dem Fischerbrunnen in Marktheidenfeld.
    Auf Heimatbesuch: Harald Wiesmann vor dem Fischerbrunnen in Marktheidenfeld. Foto: Foto: Ralf Thees

    Da arbeiten, wo andere Urlaub machen – das hat Harald Wiesmann geschafft. Doch sein Beruf als Sommelier auf der indonesischen Insel Bali lässt ihm nur wenig Zeit, das Urlaubsparadies zu genießen. „Ich arbeite fünf Tage die Wochen mindestens zwölf Stunden am Tag“, sagt Wiesmann bei einem Besuch in seiner Heimatstadt Marktheidenfeld. Doch nicht nur für Wein hat Wiesmann eine Leidenschaft entwickelt, sondern auch für das Schreiben – und das will er nun verbinden.

    Die berufliche Reise des heute 60-Jährigen bis zum Sommelier auf Bali hat in den 1970er Jahren in Marktheidenfeld begonnen. Nach kurzen Ausflügen nach Würzburg und Lahnstein lernte Wiesmann den Kellnerberuf im Weinhaus „Anker“ in Marktheidenfeld – als erster Kellnerlehrling überhaupt dort. „Rainer Schmidt war mein Lehrmeister“, erzählt er über den bekannten Service-Chef des Lokals. Während dieser Zeit dort bekam der „Anker“ unter der Führung von Hermann Kerscher einen Michelin-Stern verliehen. „Was aber nicht an mir lag, ich war nur der Lehrling“, scherzt der 60-Jährige. „Vielleicht bin ich auch Kellner geworden, weil meine Eltern taub waren“, sagt Wiesmann, „ich musste oft für sie übersetzen und erklären und hatte darum den Umgang mit den Leuten früh in mir.“

    Er ist dankbar für die Zeit im Weinhaus, dort habe man noch alles lernen können, „das Vorlegen, das Flambieren, das Tranchieren, das Filetieren und mehr“. Diese solide Grundausbildung unter Schmidt habe ihm sehr viel gebracht, sagt Wiesmann.

    „Ich bekam eine Weinkarte mit 300 Weinen – und die musste ich alle kennen.“

    Harald Wiesmann erinnert sich an seine erste Stelle in der Schweiz

    Von Marktheidenfeld aus ging es für Harald Wiesmann 1977 beruflich weiter nach Düsseldorf, in das Hotel Breidenbacher Hof. „Das war für mich der Sprung von einem Ein-Sterne-Restaurant in ein Zwei-Sterne-Restaurant“, sagt er. Die Reise ging weiter vom europäischen Kontinent auf die britischen Inseln, nach Sheffield ins Gleneagles Fünf-Sterne-Luxushotel und von dort aus ein Jahr lang ins berühmte Hôtel Ritz in Paris. Die nächsten 15 Jahre arbeitete Wiesmann in der Schweiz. „Ich habe vom Lehrling, Commis de rang bis zum Maître d?hôtel alle Stufen des Kellnerberufs durchlaufen“, sagt Wiesmann.

    Dann hat ihm aber etwas gefehlt, er war noch unzufrieden mit dem, was er bisher erreicht hat. „Ich bin Kellner, aber doch kein richtiger Kellner, habe ich mir gedacht.“ Dann kam ihm die Idee, Sommelier zu werden und mehr über Wein zu erfahren. Er hat in der Schweiz auch gleich eine Stelle als Sommelier angeboten bekommen und sich entschlossen, sie anzutreten. „Aber das war dann gar nicht so einfach“, erinnert er sich. „Ich bekam eine Weinkarte mit 300 Weinen – und die musste ich alle kennen.“

    Weinliebhaber war er schon immer, wie er sagt. Aufgewachsen ist Wiesmann in Marktheidenfeld mit Apfelwein, den sein Vater damals im Keller selbst gemacht hat. „Als Junge bin ich auch zum Marktheidenfelder Kreuzberg und habe Trauben geklaut und gegessen“, lacht der 60-Jährige.

    Also arbeitete er sich in seiner ersten Stelle als Sommelier durch alle Weine durch, probierte sie und machte etwas, was sich später zu einer der Besonderheiten seiner Arbeit als Sommelier entwickeln sollte: Er verfasste für jeden Wein eine kleine Beschreibung, nur für sich. Und er überlegte auch gleich, welche Speisen für diesen Wein passen könnten. „Da half mir meine Ausbildung im Anker und in den anderen Restaurants, ich hatte immer viel mit Speisen zu tun, das fiel mir darum recht leicht“, sagt Wiesmann.

    Aus den Aufzeichnungen über die Eigenschaften der Weine entwickelte der Sommelier „Weinlyrik“, wie er es nennt. Kurze poetische Texte, über Wein, Weintrinken und Weintrinker, die er bei besonderen Gelegenheiten seinen Gästen vorliest. Vor allem bei sogenannten „Wine & Dine“-Veranstaltungen im Hotel, also „Wein und Dinieren“. Da passt Wiesmanns Weinlyrik besonders, denn dabei steht der Wein im Vordergrund. „Der Küchenchef muss sich mit den Gerichten da sogar nach meiner Weinauswahl richten, nicht umgekehrt“, erklärt der Sommelier, der dann auch akribisch überwacht, ob das Essen wirklich genau zu den Weinen passt.

    Seine Weinlyrik verfasst Wiesmann auf Deutsch und – für ein international besuchtes Hotel selbstverständlich – auch auf Englisch. Die englischen Texte lässt er aber noch von einem Muttersprachler gegenlesen – meist aber ohne große Korrekturen. „Ich bin besser in Englisch als in Deutsch, sagt mein Bruder“, lacht Wiesmann. Die lange Zeit im Ausland hat auch seinen unterfränkischen Zungenschlag zum größten Teil aufgelöst. „Ich bin nur noch selten in Deutschland“, sagt der 60-Jährige, „meist nur einmal im Jahr.“ Mittlerweile hat er auf Bali sein Zuhause, lebt dort mit seiner zwölf Jahre jüngeren Frau und seinen zwei Kindern.

    Die Texte will Harald Wiesmann nun als Buch herausbringen. Das wäre nicht seine erste Veröffentlichung. Neben zahlreichen Artikeln in Weinzeitschriften hat er schon in den 1990er Jahren den Gedichtband „Freigeistgeflüster: ein Kellner kuriert sein lädiertes Rückgrat“ herausgebracht. „Es wäre schön, wenn das mit dem neuen Buch klappt“, sagt Wiesmann. Denn er hat auch schon Pläne für ein weiteres Werk, diesmal in Prosa. Kurzgeschichten über Gäste, die ihm in seinem Berufsleben begegnet sind. „Und da sind viele sehr verrückte Geschichten passiert“, lacht der Sommelier.

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