Spätestens seit Wilhelm Hauffs Novelle „Das Wirtshaus im Spessart“ hat das Mittelgebirge zwischen Vogelsberg, Rhön und Odenwald den Ruf als Räuberwald weg. Tatsächlich könnte sich zwischen unzähligen Bäumen und Pflanzen zwielichtiges Gesindel problemlos verstecken. Doch sind es keine Romanfiguren, die heute Besucherscharen in den Wald bei Weibersbrunn (Lkr. Aschaffenburg) locken. Stattdessen zieht dort eine Quelle Menschen an: der Heinrichsbrunnen.
„Ein oder zwei Autos stehen fast immer hier“, erklärt Horst Roth. Der 79-jährige Rentner und ehemalige Pächter der Autobahnraststätte Rohrbrunn fährt mehrmals am Tag an der Quelle vorbei. Dabei beobachtet er einen großen Besucheransturm. „Von Frankfurt bis Würzburg kommen die Leute hierher“, berichtet Roth. Das verraten ihm schon die verschiedenen Autokennzeichen.
50 bis 100 Kanister pro Person
Kanister, Kästen und Flaschen – die Quellwasser-Fans bringen alle möglichen Gefäße mit, um sich am Heinrichsbrunnen Wasser abzuzapfen, und das oft in großen Mengen. „Manche Leute holen zum Teil 50 bis 100 Kanister Wasser pro Person“, hat der Rentner beobachtet. Zu Spitzenzeiten würde sich vor allem im Sommer an der Quelle sogar eine Menschenschlange bilden, die auf das kühle Nass aus dem Berg warte.
Die Quelle ist noch nie versiegt

Zwischen Rohrbrunn und Weibersbrunn, direkt an der Staatsstraße 2317, liegt das besondere Gewässer. Vor rund 35 Jahren, erinnert sich Roth, habe sich die Quelle zum Besuchermagneten entwickelt. Damals wurde das Wasser mit einem Auslauf, der das Wasser gezielt aus dem Berg leitet, eingefasst. Auch in den vergangenen trockenen Sommern sei die Quelle noch nie versiegt und konnte dem großen Ansturm immer standhalten.
Bis das Wasser aus dem Heinrichsbrunnen sprudelt, hat es bereits einen langen Weg hinter sich. An der Autobahn 3 direkt an der Raststätte Spessart entspringt der Rohrwiesenbach. Er unterquert die Autobahn und fließt weiter nach Norden, wo das Gewässer dann zwischen Heinrichsberg und Geiersberg auf der höchsten Erhebung des Spessarts durch den Rohrbrunner Forst verläuft. Schließlich durchfließt der Rohrwiesenbach noch einige Lichtungen im Rohrwiesengrund, bis dann von links ein kleiner Bach mündet, der letztendlich im Heinrichsbrunnen entspringt.
Direkt am Heinrichsbrunnen prangt ein Schild mit der Aufschrift: „Das Wasser ist nicht als Trinkwasser geeignet.“ Das rühre daher, „weil das Wasser nicht im Labor untersucht wird“, erklärt Forstrevierleiter Sebastian Duschner, der für die Quelle zuständig ist, da sie auf dem Gebiet der Bayerischen Staatsforsten liegt.

Durch die Nähe zur Autobahn könnten unter Umständen auch Verunreinigungen in das Wasser gelangen. „Momentan haben wir aber keinen triftigen Grund, das Wasser regelmäßig zu überprüfen, um es als Trinkwasser zu deklarieren“, sagt der Forstrevierleiter. Die Warnung schreckt die Besucher offensichtlich nicht ab. Vor allem auf Aquaristik-Fans und gesundheitsbewusste Menschen scheint der Heinrichsbrunnen einen besonderen Zauber auszuüben. Zum einen schätzten Aquarienbesitzer die Wasserqualität. Immer wieder seien sie mit Messgeräten vor Ort, um das Wasser selbst zu prüfen, hat Horst Roth mehrfach beobachtet. Es genügt wohl ihren Ansprüchen. Der Rentner hat früher selbst Wasser für seine Zierfische aus der Quelle geholt. „Was den Fischen guttut, das kann dem Menschen nicht schaden“, denkt Roth.
Das Wasser sei sogar gesundheitsfördernd
Der Großteil der Quellen-Besucher schreibe dem Wasser eine gesundheitsfördernde, ja sogar heilende Wirkung zu: „Ein Arbeitskollege von mir hat über 25 Jahre lang Wasser aus der Quelle für seine kranke Frau geholt. Sie wollte nichts anderes trinken“, erinnert sich der Rentner.
Geringer Kalkanteil durch Buntsandstein

Sebastian Duschner vermutet, dass der geringe Kalkanteil im Spessart-Wasser der Grund für die große Beliebtheit der Quelle ist: „Die Geologie im Spessart ist vor allem von Buntsandstein geprägt“, erklärt der Forstrevierleiter. Dadurch habe das Wasser einen geringen Kalkgehalt und schmecke vielleicht auch besser. Welche Inhaltsstoffe sich aber genau im Wasser befinden, das weiß wegen der fehlenden Analysen niemand genau.
Wirklich außergewöhnlich scheint das Wasser nicht zu schmecken. Es sei kühl, erfrischend, sehr weich und frei von Chlor. „Genauso gut wie aus der Flasche“, bewertet Horst Roth die Wasserqualität. Gesundheitliche Nebenwirkungen habe er durch jahrelangen Quellwasserkonsum noch nie verspürt.
Den großen Ansturm auf den Heinrichsbrunnen sieht Sebastian Duschner relativ gelassen. „Wenn viele Leute kommen, bleibt auch mal Müll liegen“, erklärt er. Das seien aber meist Einzelfälle. „Wenn aber jemand Spaß daran hat, soll er sich das Wasser holen. Es kostet ja nichts.“ Vielleicht entwickelt sich das Wasser aber in Zukunft doch noch zur sprudelnden Geldquelle, denn zumindest Horst Roth meint augenzwinkernd: „Mit der Quelle könnte man schon ein Geschäft machen.“