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"Hilfe - mein Kind spielt Schach!"

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"Hilfe - mein Kind spielt Schach!"

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    Konrad Diener erklärt, Noa Böhm (Mitte) überlegt und Tobias Väth (rechts) kann den nächsten Zug kaum erwarten.
    Konrad Diener erklärt, Noa Böhm (Mitte) überlegt und Tobias Väth (rechts) kann den nächsten Zug kaum erwarten. Foto: FOTOS (2) NILS GRAEFE

    Seine Hände sind kaum größer als die Figuren, die er zieht. Und während sich sein Schulfreund Noa Böhm (7) diesmal noch am Kopf kratzt, leuchten Tobias Väths (7) Augen. Ein Lächeln offenbart seine Schneidezähne, von denen einer noch nicht ganz ausgewachsen ist. Der Siebenjährige hat eine Idee für den nächsten Zug und will loslegen, sofort. "Du spielst zu schnell, überleg' lieber nochmal", bemerkt Jugendtrainer Horst Schmitt aus Röttbach, der gegen die beiden Buben Schach spielt, aber auch erklärt und Tipps gibt.

    Am Nebentisch im Hinterzimmer des Erlenbacher Vereinsheims konkurrieren auch die Geschwister Eva und Max Pfister (10 und 8) unter den geschulten Augen ihres Vaters Gerd Pfister aus Tiefenthal: Schwarz gegen Weiß.

    Anders, aber auch schwarz-weiß, sehen es so manche Eltern. "Schule hat immer Priorität", sagt Jugendtrainer Gerd Pfister. Sobald ein Kind in der Schule keine guten oder befriedigenden Leistungen erbringt, komme vermeintlicher Müßiggang wie beim Schach nicht in die Tüte. Da bleibe höchstens Zeit für ein Musikinstrument oder Fußball.

    "Wir haben uns im SV einen gewissen Stellenwert erst erkämpfen müssen. Von wegen, das sei doch kein Sport, was wir machen, und so. Solche Sprüche bekommt man immer wieder zu hören", ergänzt Schachabteilungsleiter Konrad Diener. Nach wie vor laufe die Rekrutierung von Nachwuchs "recht zäh".

    Training am Mittwoch

    Im Moment kämen zwischen zwei und 15 Kinder und Jugendliche sporadisch zu den Trainingsabenden am Mittwoch. Knapp zehn Heranwachsende sind gemeldet und spielen mitunter auch bei Wettkämpfen, zum Beispiel die 15-jährige Kim Liebler. Die Erste Mannschaft ist in der Kreisliga, die Zweite in der B-Klasse.

    "Selbst ich musste mich bei meiner Frau durchsetzen, dass die Kinder regelmäßig zum Schachspielen kommen", sagt Gerd Pfister. Dabei könne Schach eine ganze Reihe positiver Auswirkungen auf Heranwachsende haben. "Gerade im Zeitalter von Computerspielen und Zappen beim Fernsehen ist es für Kinder wichtig, zu lernen, dass man überlegen sollte, bevor man handelt. Schach hilft dabei. Es geht in die Tiefe", sagt Pfister.

    Auch Konrad Diener ist von der günstigen Wirkung des Schachs auf den Menschen überzeugt. "Natürlich kann man nicht pauschal sagen, dass jedes Kind durch Schach besser in der Schule wird. Aber es kann die Kinder zum strukturierten Denken animieren und ihre Konzentrationsfähigkeit schulen", so Diener. Das Kind müsse natürlich wollen.

    Beim Wollen nachhelfen könne der Spieltrieb, berichtet der Jugendsoziologe und Buchautor Jörg Sommer, der Schach-Workshops an Schulen anbietet. "Beim Schach lernen Kinder durch spielen. Und die Bereitschaft, sich anzustrengen, sich zu konzentrieren, wächst mit der Gewissheit, dass man das Spiel nur gewinnen kann, wenn man sich eben anstrengt und konzentriert, und das bei Wettkampfspielen über anderthalb bis zwei Stunden hinweg." Lehrer in der Schule hingegen hätten schon ihre Probleme, Schüler 45 Minuten lang für den Unterricht zu interessieren, so Sommer.

    Eigenverantwortlichkeit lernen

    Aber auch die Frustrationstoleranz wachse durch regelmäßiges Schachspielen. Für Niederlagen könne niemand anderem die Schuld gegeben werden. Kinder und Jugendliche lernten so Eigenverantwortlichkeit, sagt Sommer.

    Die Regeln sind immer gleich. Es gibt keinen Schiedsrichter, der Fehlentscheidungen fällen kann. Ein Siebenjähriger kann gegen einen 85-Jährigen antreten, ein Jüngerer gegen einen Älteren fair gewinnen. Das ist es, was auch viele der Nachwuchsschachspieler in Erlenbach reizt, erklären Pfister und Diener.

    "Mir gefällt es, dass ich den Opa besiegen kann", bestätigt Tobias Väth nach dem Schachabend. Der Großvater Manfred Kaufmann ist zum Abholen gekommen, sitzt neben ihm am Tisch und nickt fröhlich. Einen Rüffel erntet der Siebenjährige nur, weil er beim Sprechen nicht den Lutscher aus dem Mund nimmt. Während der Bub dann mit komplexen Fingerbewegungen auf der Tischplatte den Unterschied zwischen einer echten und unechten Fesselung erklärt und die Vorzüge einer Rochade anpreist, schmunzelt Manfred Kaufmann nur.

    Buch-Tipp

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    Jörg Sommer und Bernd Rosen: Hilfe - mein Kind spielt Schach!, Nettetal: Chessgate Verlag, 2006. ISBN 3-935748-12-4, 144 Seiten, 13,80 Euro.

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