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ERLENBACH: „Hinschauen – nicht wegsehen“

ERLENBACH

„Hinschauen – nicht wegsehen“

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    Offene Worte: (von links) Joachim Spies, Redaktionsleiter der Main-Spessart-Redaktionen der Main-Post, der Würzburger Wirtschaftskriminalist Uwe Dolata und der Erlenbacher SPD-Ortsvereinsvorsitzende Martin Wagner beim Sonntagsgespräch.
    Offene Worte: (von links) Joachim Spies, Redaktionsleiter der Main-Spessart-Redaktionen der Main-Post, der Würzburger Wirtschaftskriminalist Uwe Dolata und der Erlenbacher SPD-Ortsvereinsvorsitzende Martin Wagner beim Sonntagsgespräch. Foto: Foto: MARTIN HARTH

    Auch die zehnte Auflage des „Erlenbacher Sonntagsgesprächs“ des SPD-Ortsvereins hielt am Sonntag im „Winzerkeller“ das, was man sich versprach. Man konnte mit einem Menschen, der etwas über den Tag hinaus zu sagen hat, in unkompliziertem Plauderton ein offenes Gespräch führen. Zu Gast war der Würzburger Wirtschaftskriminalist Uwe Dolata.

    Der SPD-Ortsvereinsvorsitzende Martin Wagner stellte den 1956 in Würzburg geborenen Gast vor, der zum Thema „Korruption – Werteverfall. Wem können wir noch trauen?“ sprach. Der Kriminalbeamte studierte Jura und Soziologie in Würzburg und Kriminologie an der Universität Hamburg. Als Korruptionsfachmann lehrt er an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg seit acht Jahren im Bereich Compliance, den er später näher erläuterte.

    Joachim Spies, Redaktionsleiter der Main-Spessart-Redaktionen der Main-Post, der die Gesprächsführung übernommen hatte, eröffnete die Runde mit dem Hinweis auf das untypische Erscheinungsbild Dolatas. Man könnte Dolata für einen Bonvivant halten und nicht für den knallharten Ermittler in Sachen Wirtschaftskriminalität, der zu den großen Prozessen in Fragen des Anlagebetrugs in Mainfranken nicht unerheblich beigetragen hatte.

    Talkgast bei Erwin Pelzig

    Seine charmante Art macht Dolata zu einem Medienliebling, die ihn mit Horst Seehofer auch schon in Erwin Pelzigs TV-Talkrunde „Pelzig unterhält sich“ führte. Dass der Ministerpräsident ihm dort inhaltlich noch recht gab und ein Primat der Wirtschaft vor der Politik einräumte, machte manchen Zuschauer damals recht nachdenklich.

    Den Satz von Oscar Wilde, dass jeder Mensch seinen Preis habe, relativierte der Kriminalist im Gespräch mit den Gästen im Winzerkeller. Denn man müsse natürlich auch etwas zu verkaufen haben, was Otto Normalverbraucher so sicher nicht habe. Die Korruption greife vor allem in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Schlüsselpositionen um sich. Keineswegs sei Deutschland hier als ein Waisenknabe zu sehen.

    Hinter dem Begriff Compliance, übersetzt Regeltreue, verberge sich ein für die Wirtschaft verpflichtender Werte-Kodex, mit dem man der Korruption entgegenwirken könne. Dolata machte deutlich, dass aus den USA in dieser Hinsicht auf deutsche Unternehmen Druck ausgeübt werde, wie dies der Siemens-Konzern schon schmerzhaft erfahren musste.

    Korruption sei letztlich aber ein Problem des Hinschauens. Was nicht betrachtet oder juristisch aufgearbeitet würde, falle im Verborgenen letztlich nicht auf. Schwierig sei es deshalb zu sagen, wo Wirtschaftskriminalität und Korruption die größte Verbreitung haben. Später wagte der Fachmann doch eine Einschätzung nach einer Erfahrung. Auf der Geber-Seite sei die Bauwirtschaft als führend anzusprechen, auf der Nehmer-Seite der in Deutschland besonders wichtige Pharmabereich.

    Ob Compliance wirksam sei, hänge von der Einsicht ab. Im Falle Griechenlands lägen die Folgen auf der Hand. Korruption bringe niemanden nach vorne, sie zerstöre alles, die Wirtschaft, den Wohlstand und den Staat. Dolata erinnerte sich an Beispiele von Unternehmen, die Korruption als Grundvoraussetzung ihrer Position auf dem Weltmarkt sahen – und dann als erste insolvent wurden.

    Kritisch beleuchtete Dolata die Rolle der Politik. In Deutschland habe man Schmiergelder bis ins Jahr 2000 als steuerlich absetzbar behandelt. Man habe ohne Not parteiübergreifend die Tore für die Hedgefonds geöffnet, die nun in den Finanzkrisen Probleme bereiteten.

    „Lobbykratie“ in der Politik

    Das deutsche politische System sei mit über 3000 zugelassenen Wirtschafts-Lobbyisten im parlamentarischen Berlin mit rund 600 Abgeordneten ohnehin als „Lobbykratie“ zu kennzeichnen. Auch in der Politik müsse es heißen: „Hinschauen – nicht wegsehen“.

    Zum Schluss warf Martin Wagner scherzhaft die Frage auf, was man einem Korruptionsbeauftragten nach dem Gespräch denn schenken dürfe. Ein Körbchen mit fränkischen Spezialitäten und ein vom Autor signierter Krimi aus dem krisengeschüttelten Island – öffentlich übergeben – wird wohl den Regeln der Transparenz nicht widersprochen haben.

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