Das liegt wohl auch daran, dass die Ärzte im ländlichen Bereich ihre Patienten kennen. Laufkundschaft wie in den Großstädten gibt es so gut wie gar nicht, erklärt Allgemeinmediziner und Notarzt Helmut Aulbach, der in den zwei Jahren seit Einführung der Praxisgebühr erst zwei Zahlungsverweigerer hatte. Im ersten Fall sei der Patient nicht mehr in der Praxis erschienen, ein anderer Mann sei steif und fest davon überzeugt gewesen, von der Medikamenten-Zuzahlung befreit zu sein.
Wer sich weigert, die zehn Euro zu bezahlen, bekommt zunächst eine Mahnung vom Arzt. Geht das Geld nach zehn Tagen nicht ein, übernimmt die Kassenärztliche Vereinigung das Mahnverfahren. Eine teure Sache für die Ärzte, weiß Helmut Aulbach: "Wenn es auf die Spitze getrieben wird, kostet ein solches Verfahren 130 bis 140 Euro." Der schwarze Peter bleibe bei den Ärzten hängen, da sich die Krankenkassen an den Kosten für das Mahnverfahren nicht beteiligten.
Ein Problem sei die Praxisgebühr nur beim Notdienst am Wochenende und beim Arztbesuch in Altenheimen. Als positives Beispiel nennt Aulbach das Gesundheitszentrum Main-Spessart. "Hier bekomme ich die Praxisgebühr bereits an der Rezeption ausgehändigt." Beim Kreisseniorenzentrum funktioniere dies leider nicht so gut, weshalb er dem Geld oft hinterher laufen müsse. Das schlimmste an der Praxisgebühr ist für ihn der Verwaltungsaufwand. Aulbach: "Ein echtes Ärgernis."
Noch keine Zahlungsverweigerer in ihren Praxen hatten die Allgemeinmediziner Dr. Roselinde Hemmerlein, Dr. Bernold Schenk und Dr. Margit Geyer-Ondrasch. "Es gibt zwar Patienten, die nur zähneknirschend bezahlen", sagt Hemmerlein, "doch bezahlt haben bisher alle." Es komme durchaus vor, dass jemand die zehn Euro gerade nicht dabei habe, diese aber später vorbei bringe. Wegschicken, da sind sich alle befragten Ärzte einig, würde man keinen Patienten.
"Und wer kommt nicht? Genau die armen Teufel, die es am nötigsten hätten!"
Peter Benda Zahnarzt in Gemünden
Eine ganz andere Sicht der Dinge hat der Gemündener Zahnarzt Peter Benda. Die Diskussion um die Zahlungsmoral der Patienten gehe am Hauptproblem vorbei: "In der Zahnheilkunde ist die Praxisgebühr kontraproduktiv, weil so gerade ärmere Menschen von einer guten Behandlung ferngehalten werden." Benda kennt Patienten, die so arm sind, dass sie sich sogar die Praxisgebühr sparen und deshalb nicht mehr zum Zahnarzt gehen. Ein Teufelskreis.
Und dabei hätten gerade arme Menschen eine gute zahnärztliche Vorsorge am nötigsten. Seit Einführung der Praxisgebühr seien die Patientenzahlen in seiner Praxis um rund 15 Prozent zurückgegangen. "Und wer kommt nicht?", fragt der Zahnarzt erzürnt und gibt gleich selbst die Antwort: "Das sind genau die armen Teufel, die es am nötigsten hätten!"
In seiner Praxis gebe es einen hohen Anteil an Spätaussiedlern, Ausländern und "einfachen Leuten". Benda: "Ich denke nicht daran, die armen Leute wegzuschicken, nur, weil sie sich die Praxisgebühr nicht leisten können."