Der Fußboden ist übersät mit unzähligen Haarbüscheln. Seit einer guten halben Stunde bürstet Melanie Künstler nun schon das lange Fell von Rocky, einem Golden Retriever, und holt immer noch Haare aus seiner Unterwolle. Ein Knäuel nach dem anderen landet auf dem Fußboden und die Menge lässt erahnen, um wie viel entbehrliches Fell die Hundefrisörin ihren langhaarigen blonden Stammgast bei seinem Besuch wieder befreien wird.
Für Rocky sind die Termine bei „Melies Pfötchentreff“ in Mittelsinn offenbar reines Wellness. Er genießt das behutsame Kämmen sogar, auch wenn es gelegentlich ziept, weil sich in seiner Unterwolle kleine Verfilzungen gebildet haben. Dann lobt Melanie Künstler den geduldigen Retriever-Rüden besonders für seine Gelassenheit und zaubert flink einen Belohnungskeks aus der Leckerlibox im Regal neben dem Frisiertisch. Aber: „So ruhig wie Rocky sind nicht alle Hunde auf dem Frisiertisch“, sagt die 46-Jährige.
Seit dem Frühjahr betreibt sie den Hundesalon in Mittelsinn. 2009 hatte sie das Handwerk zur Hundefrisörin in der Groomerschule Kretschmer in Frankfurt gelernt und seitdem in Burgsinn praktiziert. Schon immer geht es der gebürtigen Mittelsinnerin um das Wohlbefinden der Tiere.
„Manche Hunde sehen mich und hauen ab.“
Melanie Künstler Hundefrisörin
Sie hat selbst einen neun Jahre alten Hund; Körbi, so heißt der Cavalier-King-Charles-Spaniel. „Bevor ein Hundefell verfilzt, wird es geschnitten“, betont 46-Jährige ihren Standpunkt, dass auch entgegen mancher rassetypischen Schönheitsideale die Schere angesetzt werden sollte, wenn es dem Wohl des Hundes dient.
Dass viele Hunde aber beim Kämmen, Schneiden oder Baden die guten Absichten ihrer Frisörin nicht immer unmittelbar erkennen, ist Melanie Künstler durchaus bewusst. „Manche sehen mich und hauen ab“, gesteht sie schmunzelnd. Aber es hilft nichts: Fellpflege ist für viele Hunderassen eine unerlässliche, und für viele auch unausstehliche, Prozedur. Bei manchen Tieren ist die Hilfe der Besitzer nötig, um den Hund während des Kämmens und Frisierens zu halten, bei manch anderen, ergänzt die Hundefrisörin, „ist es aber sogar besser, wenn ich Frauchen oder Herrchen wegschicke“.
Denn so mancher macht den Hund nervöser, als dieser ohnehin ist.
Melanie Künstler hat Verständnis für die Aufgeregtheit vieler Hunde, und bemüht sich daher immer einfühlsam zu Werke zu gehen. Dass sie auch mal den einen oder anderen kleinen Biss abbekommen hat, ist für die Hundefrisörin nicht schlimm. Schon gar nicht schmälert dies ihre Begeisterung für die Arbeit mit den Hunden.
Sie habe ihr Hobby zum Beruf gemacht, schwärmt Melanie Künstler, wobei sie einschränkt, dass es immer noch als Nebenberuf zu bezeichnen ist. Um vom Hundesalon leben zu können, sagt sie, müsste sie die doppelte Anzahl an Kunden haben. Hochtoupierte Pudel mit gefärbtem Fell wird man in „Melies Pfötchentreff“ nicht antreffen, keine Ausstellungs- und Schickimicki-Hunde, sofern dies im Sinngrund überhaupt infrage kommen sollte. Von derlei Verschönerung bleibt auch Rocky verschont. Sein um viel Unterwolle befreites Fell ermöglicht an der Haut wieder eine bessere Luftzirkulation, erklärt Melanie Künstler.
„Ein ungepflegtes Unterfell verursacht Schuppen“, sagte sie, „und kann Hauterkrankungen oder Pilzbefall begünstigen“. In einem Fall habe sie eine Kundin direkt weiter zum Tierarzt geschickt, erzählt sie, weil die Haut des Hundes wegen mangelnder Pflege in einem schlimmen Zustand gewesen sei. Diese Sorge treibt Rocky nicht um – er schaut vielsagend in Richtung Leckerlibox im Regal neben dem Frisiertisch.