marktheidenfeld (nig) Hunger- und Weinsteine gibt es in allen größeren Flüssen wie Rhein, Main, Donau, Elbe, Mosel oder Weser. Vielerorts ranken sich Sagen und Geschichten um die Hungersteine. Die meisten wurden das letzte Mal in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts gesichtet. Manche waren sogar touristische Attraktion, wie zum Beispiel jene im Cottaer Elbbogen, von denen Ansichtskarten im Umlauf waren.
Nur ein Teil der Steine war (ist) beschriftet. Die Wortlaute enthielten in der Regel das Verb "weinen". Die meisten waren allerdings natürliche Fels- und Gesteinsformationen ohne Inschriften, die einfach nur so genannt wurden. Alle hatten gemein, dass sie bei Dürre und niedrigem Wasserstand, quasi als Mahnmale, zum Vorschein kamen. Mit den modernen Flussausbauten und Tieferlegungen der Flussbetten verschwanden die Steine größtenteils von der Bildfläche.
Zu den Hungersteinen im Raum Marktheidenfeld folgen hier nun zwei Textauszüge:
· "Marktheidenfeld, 8. Juli 1921: Laut Mitteilung von flusstechnischer Seite sind seit einigen Tagen die so genannten Hunger- und Weinsteine im Flussbett des Maines sichtbar. Es sind über 100 Jahre her, seit diese Sonderlinge sich zum letzten Male zeigten, und was dieselben für uns bedeuten, tritt mit jedem Tage klarer zu Tage: Denn je kleiner das Wasser, desto größer die Steine! Auch bei uns liegen einige dieser Sonderlinge und zwar am Weißen Bild auf der Wegstrecke nach Lengfurt; auch zwischen Rothenfels und Zimmern soll ein solcher Zeuge sichtbar sein; weitere findet man bei Klingenberg und Mainz. Die Schifffahrt wird eingestellt." (Zeitungsausschnitt, "Marktheidenfelder Bote").
· "Die Homburger Hungersteine: Einstens kam über das Land am Main eine schreckliche Dürrezeit. Die Quellen trockneten aus. Die Brünnlein versiegten: Hoch lag Staub auf allen Wegen. Die Feldfrucht starb ab, und das Gras verdorrte. Selbst auf den Mainwiesen wuchs kein Gräslein mehr. Hunger und Durst quälten Mensch und Vieh und das wilde Getier. Das Wasser des Mains sank immer tiefer. Sein Bett war trostlos und öde geworden.
Eines Morgens sahen die Homburger, dass nächst den Hallenwiesen, etwa eine Viertelstunde südwestlich von Homburg, die Spitzen von Steinen aus dem Main ragten. Und weil die Trockenheit viele Wochen, ja den ganzen Sommer über anhielt, sank das Wasser des Mains immer noch tiefer, und bald standen die Steine aus dem Wasser. Damals soll nun, so wird erzählt, ein Homburger Mann in den Main hinausgegangen sein und in die Wand eines dieser Hungersteine einen Spruch eingemeißelt haben: 'Wenn ihr mich seht, so müsst ihr weinen.'" (Aus: Nuber, Heinrich: "Sagen aus der Marktheidenfelder Gegend", in: Pfeifer, Valentin: Spessartsagen, Aschaffenburg: Paul Pattloch-Verlag, 1970, 8. Auflage, Seite 152-153).
Die beiden Quellentexte stellte freundlicherweise Michael Deu- bert, Vorsitzender des Historischen Vereins Marktheidenfeld, zur Ver- fügung.