Bevor Bürgermeisterkandidat Jürgen Stich im Hotel Schäffer mit seinem Wahlprogramm loslegt, lässt er den Stadtrats- und Kreistagskandidaten der CSU den Vortritt. Er selbst dreht unterdessen ein paar Runden und verteilt Infomaterial, dazu Blöcke und Kugelschreiber der Landratskandidatin Sabine Sitter. In der dritten Runde dann verteilt er auch sein Wahlgeschenk: ein Schächtelchen mit Pflastern. Darauf zu lesen: „Ich lasse Sie nicht im / Stich, Jürgen / Ihr Bürgermeisterkandidat für Gemünden.“ Ob und für wen der Inhalt womöglich zu Trostpflastern wird, bleibt bis zum 16. März offen.
Bei seinem Wahlkampf-Heimspiel in Gemünden bleiben weit über die Hälfte der Plätze leer. Woran liegt's? Champions League? Desinteresse? Kennen den Bürgermeisterkandidaten alle schon? Kandidat Stich gibt sich unbeeindruckt: „Ich freue mich, dass sich wenigstens ein paar Gäste die Zeit genommen haben.“ Auf „fünf bis sieben“ schätzt er deren Zahl. Seine Frau ist auch da, die restlichen rund 15 Anwesenden sind der CSU zuzurechnen.
„Ich hab nix dagegen, wenn sich jemand was zu essen bestellt – nur schmatzen Sie bitte leise.“ Immer wieder betont er an diesem Abend, dass er ein ehrlicher Kandidat ist. Und das nimmt man ihm sofort ab. Ein Beispiel gefällig? Zu seinem Motto „Wir tun was und wir schaffen das“ sagt er: „Das hab ich mir ganz einfach abgeguckt von einer anderen bayerischen Gemeinde, das gebe ich ganz offen zu.“ Es passe auch für seinen Wahlkampf, findet er. Ansonsten sind Politikerphrasen und Gestelztheit nicht seine Sache. Er verspricht den Gemündenern auch kein Wolkenkuckucksheim.
Etwas pastoral hat er sich ein kleines Pult aufstellen lassen, wo er seine Notizen ablegen kann. Daran kann er sich festhalten, aber immer wieder gestikuliert Stich weit ausholend, mitunter meint man, er um himmlischen Beistand anrufen. Was ihn antreibt, ist ganz offenbar der Frust, der sich in den vergangenen sechs Jahren angestaut hat. Er vermeidet es aber strikt, den Amtsinhaber beim Namen zu nennen.
Als er über die Entwicklung bei der Scherenberghalle spricht und sagt, dass der Stadtrat so lange im Unklaren darüber gelassen worden sei, was wirklich Sache ist, und dass der Bürgermeister eine dringliche Sitzung plötzlich wieder abgesagt hatte, weil er sie hätte öffentlich machen müssen, sagt er: „So läuft das bei uns.“ Den Rienecker Ex-Bürgermeister und CSU-Kreisrat Walter Höfling und andere hört man des Öfteren lachen und ungläubig murmeln.
Nein, Stich scheut sich nicht vor Seitenhieben. „Vom Bürgermeister erwarte ich, dass er überparteilich arbeitet“, sagt er im Hinblick auf andere Kandidaten, die mit Überparteilichkeit werben. Er sei ganz sicher kein Parteisoldat, so der ehemalige Soldat, und überhaupt ursprünglich aus Trotz der CSU beigetreten, als ihm einst FWG-Chef Gerhard Thumes Platz 1 auf dessen Liste angeboten habe. Bei Jürgen Lippert, den er sehr schätze, fürchtet er, dass dieser nur die Pflichtaufgaben der Stadt erfüllen würde, aber mehr nicht. Und Inge Albert habe keinerlei Erfahrung und bekomme politische Aussagen nur eingeflüstert.
Zur Mainbrücke vertritt er die Meinung, dass die alte schnellstmöglich ertüchtigt werden müsse, da die Stadt sich den sonst unbedingt nötigen Unterhalt gar nicht leisten könnte. Er sei nicht „ganz so euphorisch“ wie die Teilnehmer von Michelbachs Brückenkonferenz im Dezember, dass alles so reibungslos und schnell klappt mit einer zweiten Mainbrücke. Zur geplanten Ortsumgehung sagt er: „Wenn wir eine Umgehung für Gemünden kriegen, dann müssen wir alles dafür tun, dass die Umgehung auch den Verkehr aus Kissingen und Hammelburg aufnehmen kann.“
Ein Hallenbad ist aus seiner Sicht auch deswegen wichtig, weil es Kaufkraft bringe. Gemünden brauche außerdem eine Außenstelle der Marktheidenfelder Fach- und Berufsoberschule (FOS/BOS): „Sonst töten wir langfristig den Standort Marktheidenfeld.“ Denn Hammelburg werde sicher einen neuen Anlauf nehmen, FOS-/BOS-Standort zu werden. Für den Tourismus müsse der Kultur- und Tourismusausschuss Ideen entwickeln und sich nicht nur Berichte anhören. Massenbuch brauche seine Straße und schnelles Internet müsse sein, aber Stich bekennt: „Ich bin da kein Fachmann drin, ich bin immer froh, wenn ich die Tastatur treffe.“
Besucher Karlheinz Herbert befindet nach Stichs Vorstellung: „Ich bin hierher gekommen, um zu hören, warum ich dich wählen soll.“ Er habe jedoch nichts Neues erfahren. Das will dieser nicht auf sich sitzen lassen. Er sei ehrlich, treffe Entscheidungen schnell, habe Erfahrung und er sehe die Verwaltung nicht als „irgendwelche Polanti, die buckeln müssen“. Karin Hartmann-Neudek macht Stich Mut: „Es wird auf jeden Fall zur Stich-Wahl kommen.“