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GEMÜNDEN: Karussellbetreiber Rudi Bergmann: bei 60 Grad im Kassenhäuschen

GEMÜNDEN

Karussellbetreiber Rudi Bergmann: bei 60 Grad im Kassenhäuschen

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    Antiquität auf dem Heimatfest: Feuerwehrauto und Karussell sind schon 79 Jahre alt.
    Antiquität auf dem Heimatfest: Feuerwehrauto und Karussell sind schon 79 Jahre alt. Foto: Fotos: Beate Brehm

    Ein Ventilator gegen die Hitze und ein Fernseher für Zeiten, in denen nichts los ist: Rudi Bergmann gönnt sich bei der Arbeit keinen großen Luxus. Am späten Nachmittag sitzt der 53-Jährige im Kassenhäuschen neben seinem Kinderkarussell auf dem Gemündener Heimatfest und wartet auf Kundschaft.

    Seit 20 Jahren baut Rudi Bergmann Jahr für Jahr sein Karussell auf dem Festplatz auf. Als Generalpächter ist er verantwortlich für alle Stände, von denen die meisten viel größer und bunter sind als sein Karussell am Fuß der Saalebrücke. Doch es hat schon mehr gesehen als 20 Jahre Heimatfest: Vor Rudi Bergmann gehörte es seinem Vater, davor seinem Großvater. Das Grundgerüst ist Baujahr 1933.

    Rudi Bergmanns Kinderkarussell dreht sich schon seit 79 Jahren. Und sein Lieblingsstück, der feuerrote Blech-Feuerwehrwagen mit Feuerwehrmann, stammt sogar noch aus dieser Zeit. Der Rest der Fahrzeuge wurde im Lauf der Jahre Stück für Stück erneuert. Viele alte Fahrzeuge waren schließlich noch aus Holz, erklärt Bergmann. „Die Kinder heute wollen aber etwas Modernes.“ Heute gibt es zwei silberglitzernde Rennautos, Motorräder, und einen lila-orange-schimmernden Bus.

    „Wir wollen aber Traditionsveranstaltungen wie das Heimatfest aufrechterhalten.“

    Rudi Bergmann, Generalpächter Gemündener Heimatfest

    In diesen klettern zwei Jungs im Kindergartenalter. Bergmann wartet noch kurz, gibt das trötende Startsignal und drückt auf den roten Startknopf, mittlere Geschwindigkeit. Leicht scheppernd setzt sich das Karussell in Gang. 150 Sekunden muss Bergmann jetzt aufpassen, dass nichts passiert, dass keiner herunterfällt. Dann steht das Karussell wieder still, die Jungs steigen aus und Bergmann hat Pause.

    Es ist schwülwarm. Das Kassenhäuschen hat bei sommerlichen Temperaturen den gleichen Effekt wie ein geschlossenes Auto, das man mitten in der Sonne abgestellt hat: Die Luft steht. „Wenn es draußen über 30 Grad sind, wird es hier drinnen auch mal 60 Grad heiß“, sagt er. Kein Wunder, dass er bei nur gut 30 Grad Innentemperatur nicht einmal den Ventilator angestellt hat.

    Bergmann schaut auf den Bildschirm neben sich, in dem das übliche Nachmittagsprogramm aus Talkshows und Seifenopern läuft. Den Ton hat er ausgeschaltet, aber man würde ohnehin nichts verstehen, denn in seinem Kassenhäuschen vermischt sich die Popmusik vom Kinderkarussell mit Schlagern vom Stand gegenüber, und irgendwoher dröhnt unablässig ein langsamer Bass. Bergmann sagt, dass er den Lärm nach all den Jahren schon gar nicht mehr wahrnehme: „Ich habe mich längst daran gewöhnt.“

    An diesem Nachmittag haben nur ein paar Familien und eine Gruppe Jugendlicher den Weg auf den Festplatz gefunden. Den großen Ansturm erwartet Bergmann erst am Wochenende. Insgesamt, sagt er, sei früher aber mehr los gewesen. Die Freizeitparks würden den Volksfesten Konkurrenz machen. „Und das Geld fürs Karussellfahren sitzt auch nicht mehr so locker.“

    Rudi Bergmann sitzt täglich zwölf Stunden an der Kasse, drückt abwechselnd Signal- und Startknopf und verkauft seine Fahrscheine. Dass er sich dabei heute häufiger langweilt, macht ihm nichts aus, sagt er. Was er dagegen spürt, sind die Umsatzrückgänge. Strom, Wasser und Sprit würden immer teurer. Außerdem mache ihm der Geburtenrückgang zu schaffen. „Die Kinder werden weniger, und dann geht auch der Gewinn zurück.“

    Als Schausteller zu überleben sei schwierig geworden. Er müsse immer mehr arbeiten, und auf noch mehr Feste fahren. „Es ist aber unser Bestreben, Traditionsveranstalten wie das Heimatfest aufrechtzuerhalten“, sagt Bergmann. „Wir sind eben Idealisten.“ An der Wand hinter Rudi Bergmann hängen zwei Bilder: ein bunter Clown und das Foto eines kleinen Mädchens in seinem Karussell. Ob das seine Tochter sei, die mittlerweile auch ein Fahrgeschäft betreibt? „Nein“, sagt er und lacht. Das Foto habe ihm vor Jahren eine Frau Mitte 30 geschenkt und ihm erzählt, dass sie schon als Kind mit diesem Karussell gefahren sei. „Für solche Momente lohnt sich der Aufwand.“

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