Kaufhaus für Menschen mit schmalem Geldbeutel, berufliche Eingliederungshilfe für 40 schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose sowie umweltfreundliches Recycling von Möbeln und Elektrogeräten. Die „Karlstadter Dienste“ in der Ringstraße bieten ein breites Spektrum. In einem Pressegespräch stellten die Verantwortlichen Neuerungen vor. Die Werkstätten wurden in die Bodelschwinghstraße ausgelagert. Die dadurch frei gewordenen Räume werden nun als zusätzliche Verkaufsflächen genutzt.
Wer sie nicht sucht oder zufällig entdeckt, geht wahrscheinlich regelmäßig achtlos daran vorbei. An der Wand am östlichen Gebäudeteil des EP-Elektromarktes in der Ringstraße weist nur ein kleines Schild auf den „Gebrauchtwarenladen Karlstadter Dienste“ hin. Doch dahinter verbirgt sich ein umfassendes soziales und ökologisches Konzept.
Die Schrankwand in Eiche rustikal ist gewiss modisch nicht mehr der neueste Schrei, aber sie ist bestens gepflegt und erhalten und hat noch einen unschlagbaren Vorteil: Sie kostet nur 55 Euro. Auch ein passendes Sofa (gereinigt und ohne Schäden) ist für 30 Euro samt Sessel zu haben. Dasselbe gilt für die Waschmaschinen im hinteren Raum. Sie sind gebraucht, aber voll funktionsfähig, geprüft und haben sogar Garantie, verspricht die Geschäftsführerin Ludmila Kischkarjow.
In den großen, hellen Räumen wird fast alles angeboten, was ein Haushalt gebrauchen kann. Neben Möbel und Elektrogeräten gibt es auch Geschirr, Haushaltswaren, Dekoartikel, Büchertaschen und Kleidung. Nichts ist schmuddelig, beschädigt oder schäbig. Alle Gegenstände sind ausgewählt, so gut wie möglich gereinigt sowie in Stand gesetzt. Die Waren stammen aus Haushaltsauflösungen, Räumungen oder werden von Menschen aus der Umgebung einfach so vorbei gebracht.
Doch ist das „Kaufhaus für Menschen mit schmalem Geldbeutel“ noch mehr, wie Werner Müller, der Projektleiter des Deutschen Erwachsenenbildungswerkes (DEB) als Trägerorganisation, beim Pressegespräch erklärt. „In Zusammenarbeit mit der Arge MSP (Arbeit und soziale Sicherung Main-Spessart), einer Kooperation von Landkreis und der Bundesagentur für Arbeit, werden hier über 40 Langzeitarbeitslose, sogenannte „Ein-Euro-Jobber“, in ihrer Beschäftigungsfähigkeit gestärkt,“ sagt Müller.
Mehr als 90 Prozent der Teilnehmer haben im Jahr 2009 die komplette Maßnahmezeit von mindestens sechs Monaten erfolgreich durchlaufen. In den jetzt neu eingerichteten Werkstätten in der Bodelschwinghstraße reparieren sie unter fachkundiger Anleitung Großelektrogeräte für den Wiederverkauf. 178 waren es im letzten Jahr. Auch bei der Restaurierung von Möbeln werden sie erfolgreich eingesetzt. In der Landschaftspflegeabteilung kümmern sie sich um Grünpflege- und Mäharbeiten auf dem Friedhof, im Altenheim oder im Bereich von Wanderwegen.
„Die Menschen, die hier beschäftigt sind, nehmen bestimmt niemandem einen regulären Arbeitsplatz weg“, versichert Jürgen König, Geschäftsführer der Arge. Vielmehr würden hier Arbeiten erledigt, für die die öffentliche Hand sonst keinerlei Mittel zur Verfügung hätte. Die Arge fördert die „Karlstadter Dienste“ seit ihrer Eröffnung im Juli 2008. Den Empfängern von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) werden die Bezüge weitergewährt, sie erhalten zusätzlich einen Betrag von einem Euro pro geleisteter Arbeitsstunde.
Vehement tritt König der Behauptung entgegen, die Mehrzahl der Arbeitslosen sei arbeitsunwillig. Im Gegenteil, es könnten gar nicht alle in Maßnahmen wie bei den „Karlstadter Diensten“ vermittelt werden. Es gebe eine Warteliste, manche fragten sogar vor Ort um Arbeit an: „Gebt mir Arbeit, egal welche! Mir fällt daheim die Decke auf den Kopf!“
Über sieben Tonnen Müll haben die „Karlstadter Dienste“ im letzten Jahr durch ihre Arbeit zu vermeiden geholfen, sagt Müller. Künftig sollen auch Entrümpelungen und Umzüge für Bedürftige ins Angebot mit aufgenommen werden.
Manche Leute haben eine Scheu, ihre alten, aber noch brauchbaren Gegenstände weiterzugeben und werfen sie stattdessen lieber weg. Ludmila Kischkarjow möchte aber alle ermuntern, doch besser den Weg zu den „Karlstadter Diensten“ zu unternehmen. „Wir nehmen fast alles, was noch intakt ist. Und es gibt viele Menschen, die froh um preisgünstige Sachen sind“, sagt sie.
Aber nicht alle Kunden sind Bedürftige. Schon so mancher hat hier ein wunderschönes Kleinod entdeckt, ein Schnäppchen gemacht oder im „Antiquariat“ ein lange gesuchtes Buch gefunden.