Er beliefert Floristikeinzel- und -großhändler im gesamten Bundesgebiet unter anderem mit Adventskränzen und Osterschmuck. Ein zweites Standbein in Polen hat sich Marx bereits vor fünf Jahren aufgebaut – und produziert dennoch auch weiter vor Ort. Trotzdem halten sich in der Stadt hartnäckig die Gerüchte, seine Arbeiter aus Polen würden unter schlimmen Arbeits- und Wohnverhältnissen leiden.
In der großen Betriebshalle mischt sich der Duft von Tannengrün mit der wohligen Wärme des Holzofens. Am Fließband legen Arbeiter Sträuße aus Tannengrün zusammen, an Werktischen fertigen flinke Hände Adventskränze auf individuellen Wunsch der Kunden. In den Pausen wird vor der Tür geraucht. In der Küche stapelt sich das Geschirr in der Spüle. Der Eindruck einer ganz normalen Produktionsstätte.
Wandert der Blick nach oben, fallen sieben Türen im Obergeschoss des Gebäudes auf: Mannschaftsunterkünfte nennt Günther Marx, Inhaber der Firma Greentrend, diese Räume. Sie bieten seinen polnischen Saisonarbeitern die Möglichkeit, für wenig Geld direkt an ihrer Arbeitsstätte zu übernachten. Zwei Arbeiter teilen sich 12,35 Quadratmeter. Zwei Feldbetten und zwei Schränke stehen in den kargen Zimmern. Container mit getrennten WC-Anlagen, Waschbecken und Duschen für Männer und Frauen ergänzen die Wohneinheiten. Luxus ist etwas anderes, aber auch ein Bauarbeiter auf Montage lebt nicht anders.
Übernachten für wenig Geld
„Die meisten, die hierher kommen, wollen in der kurzen Saison so viel Geld wie möglich verdienen“, sagt Marx. Von Allerheiligen bis zum Beginn der Adventszeit und vor Ostern herrscht bei ihm Hochbetrieb. Für fünf Euro pro Nacht kann ein Arbeiter in der Mannschaftsunterkunft übernachten. „Wir halten die vorgegebenen Standards genau ein“, erklärt Marx. Wer etwas mehr Luxus möchte und dafür auch bereit ist, Geld auszugeben, könne jedoch auch in eine Ferienwohnung in der Umgebung ziehen. „Es ist ja keine Voraussetzung, hier zu wohnen. Jeder Arbeiter entscheidet das selbst“, betont der Firmenchef.
So auch Andreas. Der Pole ist seit Jahren Vorarbeiter bei Greentrend. Er koordiniert die Arbeiten in der Betriebshalle, spricht gut deutsch und übersetzt für jene, die sich nur auf Polnisch verständigen können. „Ich wohne lieber in einer Ferienwohnung. Hier ist mir einfach zu viel los“, sagt Andreas, dessen Frau und andere Verwandte ebenfalls für Marx arbeiten.
Die Arbeiter werden bei Marx nach Stückzahl oder mit einem Stundenlohn von 7,50 Euro bezahlt, wenn sie am Fließband arbeiten. Die Fertigung der Gestecke und die Kranzdekoration wurden bereits auf Fließbänder umgestellt. Das Problem: Die Kranzbindung wird derzeit noch nach Akkord bezahlt. „Schnelle Arbeiter können so auf einen Stundenlohn von zehn Euro kommen“, sagt Marx. Hingegen das andere Extrem: Wer nur zwei Kränze in der Stunde schafft – und das sei besonders bei Anfängern der Fall – kommt nur auf etwa 2,50 Euro. „Es ist schwierig, sich bei uns zu etablieren, weil die Lernphase meist länger ist, als die Saison“, erklärt Marx. Die polnischen Arbeiter kommen hingegen seit Jahren und seien gut eingearbeitet.
Lohn für Deutsche zu gering
Um seinen Betrieb in Rieneck aufrecht zu erhalten, benötige der Unternehmer Saisonarbeiter, die vom ersten Tag an volle Leistung bringen. Dennoch versucht er seit zehn Jahren immer wieder, auch deutsche Arbeitskräfte einzustellen. „Bei diesem Versuch scheitern wir regelmäßig.“
Die Agentur für Arbeit in Würzburg bestätigt die Aussagen des Unternehmers: „Es ist relativ schwierig, für diesen Job genügend deutsche Arbeitnehmer zu finden“, sagt der Sachbearbeiter Klaus Raudenkolb. Das liege vor allem an dem niedrigen Stundenlohn und sei „nachvollziehbar“. „In der Branche gilt der tarifliche Mindestlohn von 5,10 Euro“, erklärt Raudenkolb. Ohne die polnischen Arbeiter, fügt sein Sohn René hinzu, würde die Unternehmerfamilie längst „hinter der Grenze leben“. Konkurrenzfähig sei sie weiterhin, „weil es das, was wir machen, so in Deutschland kaum mehr gibt.“ Und das Geschäft laufe für ein Familienunternehmen äußerst gut: „Wir produzieren Kränze aus deutscher und polnischer Produktion, so ist für jeden etwas dabei“, erklärt Marx.
Heuer hat der Unternehmer erneut einen „Großangriff“ gestartet. „Wir haben eine Anzeige aufgegeben und 30 Personen zum Probearbeiten eingeladen.“ Von diesen 30 deutschen Arbeitern hätten sich am Ende nur vier als geeignet erwiesen. „Wir waren wirklich sehr enttäuscht“, berichtet Anke Marx, die Schwiegertochter des Unternehmers. Sie ist selbst Floristin und hat die Jobanwärter eingearbeitet. Aber selbst nach Wochen habe kaum einer die Adventskränze in der geforderten Schnelligkeit binden können.
Dass Marx gerne deutsche Arbeitnehmer einstellen würde, hat gute Gründe: „Wir brauchen auch verlässliches Personal vor Ort, um flexibel reagieren zu können. Etwa wenn die Saison früher oder später beginnt. Unsere polnischen Arbeiter kommen jedes Jahr zur selben Zeit. Wenn wir spontan jemanden brauchen, stehen wir auf dem Schlauch.“
Polen im Forstbereich gefragt
Insgesamt 30 Saisonarbeiter und 20 Werkvertragsarbeiter aus Polen und Rumänien beschäftigt Marx während seiner Saison. Die Verträge der Saisonarbeiter sind vom Arbeitsamt vorgegeben. Die Werkvertragsarbeiter gehören zwei Zeitarbeitsfirmen aus Rumänien an. Sie bewirtschaften die firmeneigenen Wälder im Spessart, im Sauerland, in der Eifel oder in Dänemark.
„Wir arbeiten seit Jahren mit der Firma zusammen und vermitteln regelmäßig Saisonarbeiter in größeren Mengen“, sagt Raudenkolb von der Agentur für Arbeit. Polnische Saisonarbeiter seien überdies in Main-Spessart keine Seltenheit. „Vor allem im Forstbereich herrscht Mangelware an Fachkräften. Da vermitteln wir speziell in den Landkreis Main-Spessart viele Arbeiter aus Polen und Rumänien.“ Auch die von Marx angebotene Unterkunft sei nicht ungewöhnlich: „Der Arbeitgeber muss dafür Sorge tragen, dass seine ausländischen Arbeiter während ihres Arbeitsaufenthalts korrekt untergebracht sind.“ Viele Unternehmer würden es so wie Marx machen, und eigene Unterkünfte anbieten.