Das zweite „Turmspringen“ im Zellinger Torturm war ein mutiges Vorhaben, das – bestens umgesetzt – zu einem kulturellen Höhepunkt wurde. Hochkarätige musikalische Beiträgen auf drei Ebenen des Zellinger Wahrzeichens begeisterten gut fünf Dutzend Besucher. Veranstalter war der Kulturverein.
„Tie ä - i - huli - hola. Tie ä - i - ri“. Solche Laute hat der altehrwürdige Ture ganz gewiss noch nicht gehört und die Mehrzahl der Zuhörer in seinen Mauern auch nicht. Franz Berwind, Musiker und Musiktherapeut aus Halsheim, brachte nicht nur ungewöhnliche Klänge zu Gehör, er schaffte es auch ganz hervorragend, seine Gäste von Anfang an voll mit einzubinden. „Lieder ohne Worte“, so die Grundidee, war eine Folge von alpenländischen, chassidischen sowie indianischen Rhythmen und Lautmalereien, die bei aller Ausdrucksstärke eingängig genug waren, um sie leicht erlernen zu können.
Meditative Indianergesänge
So waren alle überrascht, wie schnell die „franken-kompatiblen Jodler“ klappten – bei zwei Stimmen nicht immer akkurat, aber mit größter Freude. Dabei half Berwind mit der „Shruti-Box“ nach, einem Instrument aus Indien zur Erzeugung von Borduntönen zur Gesangsbegleitung. Tiefen Eindruck machten auch die indianischen Klänge, deren Takt die Handtrommel vorgab. Schnell entstand beim gemeinsamen „ha - e - ia - ha - o“ ein unter die Haut gehendes meditatives Element.
Das Trio „Save Tonight“ mit Steffi und Tom Reuchlein sowie Mandy Stöhr ist mittlerweile schon mehr als ein Geheimtipp, doch diesmal bewiesen sie zusätzlich den besonderen Reiz anspruchsvoller deutschsprachiger Lieder, angefangen bei der Ballade „Heute hier, morgen dort“, vom Alt-Barden Hannes Wader bis zu dem zeitgenössischen Stück „Beweg dein Herz zum Hirn“ des jungen Künstlers Stefan Stoppok. Die „Liebe meines Lebens“ von Philip Poisel, schlicht und authentisch vorgetragen, ging ans Herz – ganz ohne jeden „Schmalz“.
Bei mir biste scheen
Mit einigem Augenzwinkern ließ man Heinz Rühmann – oder war es doch Theo Lingen – „Die Herzen der stolzesten Frauen“ brechen und auch die schmerzensreiche Geschichte vom Wildschützen Jennerwein machte viel Freude. „Bei mir biste scheen“ löste begeisterten Jubel aus. „Save Tonight“ ist eine Formation, deren Leidenschaft augenblicklich auf die Zuhörer überspringt. Da sind neben der Auswahl auch die angenehmen Stimmen: der vielseitige, wohlklingende Alt von Steffi Reuchlein mit großem akustischen Umfang, die umwerfende Intonation von Tom, der Balladen und Folk perfekt interpretiert und dann die frische, junge Stimme von Mandy Stöhr. Das ist Herzblut und Können in einem.
Den Schlusspunkt setzten „Saiten und Wind“. Elfriede Seufert am Hackbrett, Roland Schneider mit seinem Akkordeon und am Bariton gab Werner Kömm den Ton an. Sie spannten einen berauschenden musikalischen Bogen von fränkisch-bayerischen Stücken über Filmmusik bis zu internationaler Folklore. Dabei standen pfiffige „Wecklieder von der Alm“ problemlos neben Tänzen vom Balkan und zeitgenössischen Stücken wie „Those Where The Days“.
Auch ein Schweizer Schottisch von Franz Berwind passte ins Programm. Die Filmmusik „Der dritte Mann“ vom Hackbrett war natürlich ein ganz besonderer Leckerbissen. Beim Finale mit Peter Maffays „Ganz tief in mir“ gab es lang anhaltenden Beifall.
Einige der Besucher wünschten sich von Ingrid Sperber, der Vorsitzenden des ausrichtenden Kulturvereins Zellingen, sie möge das Programm gerne wieder von oben neu anfangen. Ein dritter Versuch scheint daher durchaus möglich.