Wer in den letzten Tagen und Wochen zum Wandern auf die Bayrische Schanz ging, der rieb sich verwundert die Augen. Merkwürdige Objekte, Skulpturen und Figuren aller Art werden rund um die Bayrische Schanz an der Birkenhainer Landstraße zur Schau gestellt. "Initiiert wird das von der Bayrischen Staatsforstverwaltung und der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald", berichtet Forstamtmann Reinhard Stinzing. Das staatliche Forstamt Gemünden hat für eine Kunstausstellung im Wald das Gebiet um die Bayrische Schanz gewählt.
Schon vor Jahren hat dort Reinhard Stinzing mit seinen Mitarbeitern kleine Kunstwerke aus Holzstämmen geschnitzt. Zum Beispiel ein Waldkrokodil, Waldwichtel oder Eulen. Östlich der Bayrischen Schanz brachte Stinzing damals ein Schild an, das die Inschrift trägt: "Haben die Forstleute Märchen und Sagen aus dem Wirtschaftswald vertrieben? Sieh selbst!"
"Viele Wanderer und Schanzbesucher haben dieses Schild schon gelesen", weiß Stinzing. Doch fehle den Erwachsenen meist die nötige Fantasie. "Dabei genügten oft eine Nebelwolke, sich brechende Sonnenstrahlen, Regentropfen oder Schnee, um Waldbilder in Theaterkulissen zu verwandeln." Oft kam den Menschen dieses Erkennen von Bildnissen, die jeder erst durch Führungen mit einem Forstmann sieht.
"Naturgalerie der Moderne"
So kam vom Forstamt Gemünden die Idee, entlang der Birkenhainer Landstraße - einem 66 Kilometer langen ehemaligen Handelsweg, der seit 1457 von Hanau bis nach Gemünden führt - eine "Naturgalerie der Moderne" zu errichten.
Hauptziel der Kunstausstellung mitten im Wald sei es, die Besucher durch farbige Objekte zum Nachdenken anzuregen. Eines der bereits fertig gestellten Kunstwerke, ist ein so genannter Augenbaum. "Dieser Augenbaum", so Stinzing, "soll zum Ausdruck bringen, was die Bäume an der Birkenhainer Landstraße im Laufe der Jahrhunderte schon alles gesehen und erlebt haben."
Eine weitere Thematik, mit der sich einige Kunstwerke befassen, ist der New-Yorker Terroranschlag des 11. Septembers 2001. Ein auf einem im Radialschnitt geschnittenen Holzstamm gezeichnetes Bild zeigt die einstürzenden Türme des World-Trade-Centers. Neben diesem Bild wurden Baumstämme aufeinander geschichtet, die den Turm von Babylon darstellen.
Schon damals versuchten die Menschen einen Turm zu bauen, der bis in den Himmel ragen sollte. Dies soll Gott so sehr erbost haben, dass er jedem Mensch, der sich an den Bauarbeiten des Projektes beteiligte, eine andere Sprache gab. So scheiterte der Turmbau an der Sprachenverwirrung Gottes, da sich die Menschen untereinander nicht mehr verständigen konnten.
"Turm zu Babel"
Mit diesem Kunstwerk, dem "Turm zu Babel", bringt Stinzing einen Zusammenhang zu dem Anschlag auf die einstmals so prächtigen Türme. Denn auch an dem Terroranschlag 2001 habe er die schlechte Kommunikation der Menschen untereinander gespürt. "Den meisten Menschen fehlt das Verständnis für die jeweilige Religion und Kultur des anderen."
Auch mit der demokratischen Staatsform setzt sich Stinzing künstlerisch auseinander. Auf einen anderen Holzstamm sind zwei Gesichter gezeichnet. Vor dem Holzstamm befindet sich ein Tor.
"Tor zur Demokratie"
"Das ist das Tor zur Demokratie", so Stinzing. "Manche haben einen Schlüssel, um das Tor zu öffnen, andere haben es nicht so leicht und müssen die Barriere ohne Schlüssel überwinden."
Nicht nur die von Stinzing und seinen Mitarbeitern erschaffenen Skulpturen betrachtet der Forstbeamte als Kunstwerke. Für ihn ist jeder Baum, jedes Blatt, jeder Stamm ein Kunstwerk. Weite Teile Bayerns und des Spessartes seien vor knapp 250 Jahren vollkommen abgeholzt gewesen. Erst die vor 250 Jahren gegründete Bayrische Staatsforstverwaltung habe die Wälder, so wie wir sie heute sehen, wiederhergestellt. Es sei ein "beständiges Kunstwerk" geschaffen worden, so Stinzing.
Hier stimmen selbst Goethe, Beethoven und noch viele andere große Künstler dem Forstamtmann Stinzing zu. So soll sich Goethe beispielsweise seine Inspiration für seine Dichtkunst oft aus den Wäldern geholt haben. Und auch Beethoven, so ist es überliefert, saß oft in den Wäldern und lauschte der Natur.