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GEMÜNDEN: Leo Egg überwacht den Rehwildverbiss im Wald

GEMÜNDEN

Leo Egg überwacht den Rehwildverbiss im Wald

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    Jährliche Kontrolle: Am Traktpunkt überprüft Leo Egg Jahr für Jahr auf 40 Meter Länge den Aufwuchs junger Bäume. Stadtförster Meinolf Arndt führt Buch.
    Jährliche Kontrolle: Am Traktpunkt überprüft Leo Egg Jahr für Jahr auf 40 Meter Länge den Aufwuchs junger Bäume. Stadtförster Meinolf Arndt führt Buch.

    Die Zeitläufte im Wald sind extrem. Bis ein Sämling ein erntereifer Baum wird, vergehen mindestens 80 Jahre. Sekundenschnell hingegen rupft ein Reh eine Knospe als Leckerbissen ab. Wird einem Eichenbäumchen in zwei aufeinanderfolgenden Jahren der Leittrieb abgebissen, ist der Spross verloren. Haben junge Bäume keine Chance aufzukommen und ist der Wildbestand im Waldgebiet zu hoch? Die Antworten gibt das Traktverfahren. Seit 2008 wird es im Gemündener Stadtwald angewendet.

    Ob der Verbiss – im Spessart vor allem durch Rehwild – zu hoch ist oder nicht, wird unablässig heiß diskutiert von Förstern auf der einen und Jägern auf der anderen Seite. Eine objektive Bemessungrundlage liefert das Traktverfahren, das die Staatsforstverwaltung entwickelt hat. Nach der Stadt Gemünden setzen es mittlerweile alle großen Waldbesitzer ringsum Gemünden bis nach Bad Brückenau ein. Leo Egg, selbstständiger Forsteinrichter in Langenprozelten, hat gut zu tun.

    Das eigentliche Arbeitsgebiet des 60-Jährigen sind die Forsteinrichtung (Festlegung der waldbaulichen Ziele im Zehn-Jahres-Turnus), die Bodenerkundung, die Waldbewertung und die Erhebung von Wildschäden; Egg ist öffentlich bestellter Wildschadensschätzer.

    Seit 2007 befasst er sich auch mit dem Traktverfahren. An 20 sogenannten Traktpunkten im Gemündener Stadtwald überprüft Leo Egg Jahr für Jahr seit 2008 auf jeweils 40 Meter langen und bis zu zwei Meter breiten Streifen den Aufwuchs junger Bäume und ermittelt den Wildverbiss an den Leittrieben. Aus dem Langzeitvergleich lässt sich folgern, ob der Bestand an Rehen im Revier forstwirtschaftlich tolerabel ist.

    Das Ziel sind gesunde Mischbestände, die dem Insektenfraß und dem Klimawandel mit vermehrt auftretenden Stürmen sowie sich verschiebenden Regen- und Trockenperioden standhalten und die durch Naturverjüngung möglichst ohne teure Schutz- und Pflanzmaßnahmen entstehen. Der heutige Förster kann den Prozess mit Durchforstungen steuern, vom Erfolg aber werden erst Generationen nach ihm profitieren. Bei der Durchforstung werden bestimmte jüngere und ältere Bäume gefällt, um durch Platz und Lichteinfall andere Arten zu fördern – ein Prozess, der etwa 30 Jahre in Anspruch nimmt.

    Würde man den Wald hierzulande sich selbst überlassen, entstünde nach wenigen Jahrzehnten ein reiner, artenarmer Buchenbestand, weiß Leo Egg. „Die Buche ist die Mutter des Waldes“, sagt der Forstfachmann. Sie verträgt Schatten und ist relativ schnellwüchsig, sodass sich unter den dichten Kronen alter Buchen im Unterwuchs nur wieder Buchen durchsetzen. Reine Buchenbestände aber wären anfällig für Insekten, und wie diese Baumart, die sommers viel Wasser braucht, den Klimawandel verkraften wird, sei auch noch ungeklärt, sagt Gemündens Stadtförster Meinolf Arndt.

    Mischbestände sind nicht nur ökologisch wertvoller und widerstandsfähiger, sondern auch forstwirtschaftlich sinnvoll, weil niemand weiß, welche Baumarten die Industrie in 80 Jahren besonders nachfragen wird, erläutert Leo Egg. Für die in der Forsteinrichtung vorgegebene Mischung diene das Traktverfahren als Frühwarnsystem: „Kann ich das Ziel mit den derzeitigen Verbisszahlen erreichen?“

    Erst ab 20 Zentimeter über dem Boden erfasst Egg beidseits einer gespannten Schnur alle Jungbäume. Damit ist ausgeschlossen, dass andere Schädigungen als durch Wild in die Erhebung eingehen. In 1,30 Meter Höhe endet die Überwachung – höhere Triebe knabbert das Rehwild nicht ab. Bis eine Buche diese Größe erreicht, vergehen zehn Jahre, erklärt Egg. Eine Tanne benötige dafür 15 bis 30 Jahre. Registriert werden nur die Schäden an den Leittrieben, nicht an den Seitentrieben. Schäl- und Fegeschäden sowie Verbiss durch Rotwild (bis in 1,80 Meter Höhe) bleiben außer Betracht, da nicht von gravierender Bedeutung.

    Einer der Traktpunkte liegt in einem „Schatzkästchen“ des Stadtwaldes, wie es Förster Arndt nennt: Im ehemaligen Gemeindewald Adelsberg hat jemand vor etwa 80 Jahren Weißtannen gesetzt. Die rund 100 stärkeren Tannen, die im Gegensatz zu Fichten tief wurzeln und den Klimawandel verkraften dürften, sind genetisch untersucht, ihr Saatgut ist zur Vermehrung als wertvoll staatlich zugelassen. 93 unverbissene Tännchen zählt Egg auf 40 Meter (voriges Jahr: 46), dazu 19 Hainbuchen ohne und drei mit Verbissschäden sowie zwei unverbissene Vogelbeeren. Dass sich die kleinen Weißtannen, die in der Äsung der Rehe obenan stehen, hier durch Samenflug und ohne Schutzmaßnahmen entwickelt haben, nennt Meinolf Arndt den „Ritterschlag für die aktuelle Jagdsituation“ in diesem Gebiet.

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