Zum Artikel "418 Unterschriften gegen Windkraftanlage im Wald" vom 22. Juli erreichte die Redaktion folgender Leserbrief:
In der letzten Ausgabe wurde ausführlich zur Schwebenrieder Interessensgemeinschaft berichtet, die sich Sorgen um Auswirkungen einer möglichen Windkraftanlage im Struthholz macht. Dass sich Bürger um die Bewahrung von als schützenswert angesehenen Gütern wie „ihrem“ Wald oder das Landschaftsbild kümmern, finde ich an sich ehrenwert und wertvoll. Was mich allerdings doch stört, ist die Darstellung, dass eine Windkraftanlage den Wald quasi zerstören würde. Dieser ist tatsächlich in höchster Gefahr: Der Klimawandel mit den damit einhergehenden Extremwetterereignissen setzt unseren Wäldern längst so zu, dass jeder Laie die Schäden erkennen kann. Der Klimawandel ist Realität und so sehr wir alle uns wünschen, es möge alles bleiben wie es war: Die Welt befindet sich in einem dramatisch schnellen Wandel.
Wir alle sind an den Komfort unserer Gesellschaft gewöhnt, genießen die Freiheiten, die uns Mobilfunk, Internet, die Nutzung von Energie oder Straßen geben. Nur wenn es daran geht, die dafür nötige Infrastruktur zu akzeptieren, gilt meist das Sankt-Florians-Prinzip. Ich kann von meinem Grundstück aus zwei Mobilfunkmasten, drei Stromtrassen und zwei Windräder sehen. Von gegenüberliegenden Hang beschallt mich eine Bundesstraße, mein täglicher Spazierweg wird bald der B26 n zum Opfer fallen. Ich verstehe also wohl, was die Interessensgemeinschaft stört.
Nur bleibt die Frage, wie wir den großen Herausforderungen unserer Zeit begegnen wollen, dem Klimawandel und dem demografischen Wandel. Letzterer wird den Finanzen der Stadt zusetzen, weil die Einkommensteuer einen erheblichen Anteil der Einkünfte ausmacht. Neben der Gewerbesteuer erhielt die Stadt bei Windnutzung eigener Grundstücke eine Pacht und Erträge aus den Kapitaleinkünften der eigenen am Projekt beteiligten Bürger. Sichere Einkünfte in einer Zeit, in der viele von uns gerne in Rente gehen möchten. So ist die Nutzung erneuerbarer Energien ein Beitrag für die Generationen nach uns - in ökologischer und finanzieller Hinsicht.
Es ist schon in Ordnung, den Anblick von Windrädern nicht zu mögen. Aber angesichts der anstehenden Herausforderungen und in Anbetracht dessen, was andere Menschen anderswo -auch für den Strom in Schwebenried- in Kauf nehmen, ist mir ein einfaches „Nein“ schlicht zu kurz gedacht: Würde die 10H- Regel fallen (ich persönlich halte das für eine Frage der Zeit: jede Flut, Dürre und jeder Sturm setzten hinter 10H ein neues Fragezeichen), wäre die Stadt schnell komplett außen vor. Das wäre tragisch, denn ausschließlich auf Profit bedachte Investoren werden sicher mehr auf ihren Profit als den regionalen Konsens achten. Noch haben wir die Möglichkeit zur Gestaltung. Ich wünsche allen Beteiligten gute und zukunftsweisende Entscheidungen.
Martin Becker
97450 Arnstein