Wer kennt Bob Ross nicht? Auch wenn der Name des amerikanischen Malers nicht so gängig ist wie Picasso oder Monet: Bob Ross hat Kultstatus. Den urigen Maler mit der Afro-Look-Frisur hat fast jeder schon einmal gesehen. Jahrelang flimmerte er nachts über die Bildschirme, brachte seine fantastischen Landschaften in Rekordzeit auf die Leinwand und animierte Tausende, es ihm nachzutun. Die schlichte Botschaft: Jeder kann malen. Ist doch ganz einfach.
Gut, ganz so einfach ist es vielleicht doch nicht. Aber dafür gibt es zertifizierte Bob Ross-Mallehrer: Zu denen gehören Franz-Josef und Ingeborg Lindwurm. Vor sechs Jahren hat sich das Ehepaar mit der Malerei selbstständig gemacht. Ihr Ziel: Anderen Menschen die Freude am Malen zu vermitteln. „Es ist unheimlich schön, gutes Feedback von den Teilnehmern zu bekommen. Manche haben sich vorher gar nicht zugetraut, ein Bild zu malen. Dann sind sie begeistert und stellen erstaunt fest, welche Fähigkeiten in ihnen stecken“, sagt Ingeborg Lindwurm.
Da gibt es den Metzgermeister, der immer wieder kommt und sich seine selbst gemalten Bilder ins Büro hängt – bis er sie an Kunden verschenkt. Da gibt es Hausfrauen, für die das Malen ein kreativer Ausgleich zum Alltag ist oder Anwälte, die sich nur entspannen können, wenn sie den Pinsel schwingen.
Von Kitzbühl bis Bremen: Fast jedes Wochenende sind die Lindwurms unterwegs und werben neue Freunde für ihre Kunst. Für beide war es eine „Fügung“, dass sie zur Malerei gekommen sind. Franz-Josef hatte mit Anfang 50 gerade seine Betriebsleiterstelle verloren. Zum ersten Mal im Leben ohne Job. Dann wurden beide von Krankheiten heimgesucht. „Eines Abends bin ich auf der Couch eingeschlafen. Als ich mitten in der Nacht aufwachte, sah ich Bob Ross“, berichtet Franz-Josef Lindwurm. Er war von der Art des Malers so begeistert, dass er gleich recherchierte. Bob Ross hatte sozusagen die Ölmalerei revolutioniert, indem er die Nass-in–Nass-Technik der Impressionisten weiterentwickelte und daraus eine eigene Methode erfand.
Bald machte auch Lindwurm seinen ersten Hobbymalkurs bei einem „Bob Ross Instructor“ in Holland. „Ich hatte ja viel Zeit und habe gemalt wie ein Weltmeister“, sagt Lindwurm. 2002 entschloss er sich, die Ausbildung zum Mallehrer bei der Bob Ross Company zu absolvieren. Seine Frau Ingeborg folgte kurze Zeit später. „Wir haben immer schon gerne gemalt und auch Kurse in Acrylmalerei belegt. Aber richtig etwas dazulernen konnte man meist nicht. Mit dieser Technik ist es anders“, schwärmt sie.
Ein freies Plätzchen an der Wand findet man im Hause Lindwurm kaum noch. Neblige Waldlandschaften hängen neben lichtdurchfluteten Sonnenuntergängen, Urlaubsbilder vom Meer auf Kreta neben dem Ellertshäuser See bei Schweinfurt. „Wir gehen heute viel mehr mit offenen Augen durch die Welt“, sagt Franz-Josef Lindwurm. Die Malerei hat ihm nicht nur ein zweites neues Standbein verschafft, sondern auch mehr Lebensqualität. Genuss statt Hektik, Freude an der Arbeit statt Stress. Schon während seiner früheren Arbeit hat er viel Unterricht gegeben, Aus- und Fortbildungen geleitet. Die Erfahrung nutzt er nun bei seinen Kursteilnehmern. Während sich Lindwurm auf Landschaften und Tiere spezialisiert hat, bevorzugt seine Frau Ingeborg Blumenbilder. „Das Wichtigste ist, dass man mit Herz dabei ist“, sagt sie.
Beim Dorffest in Gräfendorf anlässlich des 600. Jubiläums der Pfarrgemeinde werden die Lindwurms ihren Hof zur Verfügung stellen, um Schnupperkurse mit Interessierten durchzuführen. Die Kurse finden am 20. Juli um 15 Uhr und um 17 Uhr statt und dauern etwa eine Stunde. Um 16 Uhr zeigt Franz-Josef Lindwurm den Besuchern, wie Profis malen: Innerhalb kurzer Zeit wird er ein Gemälde auf die Leinwand bringen.
Und wer weiß, vielleicht gibt es in Gräfendorf bald öffentlich ein neues Kunstwerk zu bestaunen: Lindwurm überlegt nämlich, sein Haus anzumalen. Im Garten hat er bereits damit begonnen.