Was Markus Götschel macht, ist im wahrsten Sinne des Wortes brotlose Kunst: Der 32-Jährige schnitzt Kunstwerke aus Obst und Gemüse. Darf's ein Apfelschwan, eine Kohlrabirose oder eine Rettichtulpe sein? Kein Problem, das sind Fingerübungen für Götschel. Für den Termin mit der Main-Post hat sich der Wahl-Gemündener etwas ganz Besonderes ausgedacht, etwas mit Bezug zu Gemünden: eine Melone mit dem rosenumkränzten Konterfei von Andreas Kümmert, das Ganze garniert mit einem Paradiesvogel aus Rettich, Karotte und Gurke. Drei Stunden Arbeit stecken in dem guten Stück.
Götschel, geborener Kulmbacher, aufgewachsen in Eschau (Lkr. Miltenberg), ist 1,87 Meter groß, über 100 Kilo schwer und hat Pranken wie ein Bauarbeiter. Wie kommt so ein Mann dazu, etwas so Filigranes wie einen Kakadu aus Rettich oder gleich einen ganzen Blumenstrauß aus verschiedenem Gemüse zu schnitzen?
Angefangen hat alles mit einer Kochlehre im Hotel Spechtshaardt in Rothenbuch, erzählt er. Als sein Chef, der damit nichts anfangen konnte, ihm einmal ein Buch über Gemüseschnitzkunst und dazu einen Koffer mit Schnitzwerkzeug schenkte, wollte Götschel sich daran probieren. Das Ergebnis: „Zehn Minuten später hab ich das Zeug in die Ecke geworfen, es hat nicht geklappt.“ Das war's dann auch erst einmal wieder.
„Es gibt nicht nur Wurst mit Gesicht.“
Markus Götschel Koch und Gemüseschnitzer
Nach einer Zeit bei der Bundeswehr hat Götschel dann vor sechs Jahren auf einem deutschen Weihnachtsmarkt in den USA gearbeitet: Bratwurst, Kartoffelpuffer, Schnitzel: Für einen Koch nicht gerade ein Highlight. Aber eine Köchin hatte Grundkenntnisse im Gemüseschnitzen. Für ihn war das der Ansporn, es doch wieder einmal zu probieren. Der Autor des Buchs, das er einst geschenkt bekam, wurde zu seinem Meister: Herr Wang aus Peking – seines Zeichens mehrfacher Weltmeister im Obst- und Gemüseschnitzen, wohnhaft in Deutschland. Er verdient sein Geld mit dieser außergewöhnlichen Kunst, unter anderem durch Kurse und eben Bücher.
Kurs für Kurs machte Götschel daraufhin, musste üben, üben, üben. Stunden-, ja tagelang saß er da und schnitt mit verschiedenen Messern und Meißeln Kunst in hartes Gemüse und Obst. In China sei Gemüseschnitzen eine Ausbildung, erzählt er. Zusammen mit anderen Schülern seines Meisters ist er nun Mitglied im Verein Food Artistic. Mit seinen Schnitzkollegen will er zeigen: „Es gibt nicht nur Wurst mit Gesicht.“
Ihre Kunst zeigen sie beispielsweise auf Messen, wo sie auch Schauschnitzen veranstalten. „Hängerweise“ wird bei solchen Veranstaltungen Gemüse verschnitzt. Auch seine Arbeit als Koch garniert Götschel mit Selbstgeschnitztem. Und bei der EM vor zwei Jahren hat er teilgenommen und mit seiner Mannschaft den zweiten Platz belegt. Alle Tricks will er jedoch nicht verraten.
Aber macht es dem Künstler nichts aus, dass seine Werke vergänglich sind, höchstens ein, zwei Wochen überdauern? „Überhaupt nicht, man kann's ja immer wieder machen“, sagt Götschel lapidar. Könnte er seine Sachen auch in Holz schnitzen? Noch nie probiert. Der 32-Jährige hat auch selbst schon Kurse im Obst- und Gemüseschnitzen gegeben. Einen Kurs könnte er sich auch für Gemünden vorstellen. Wer weitere Beispiele seiner Kunst sehen will, kann dies auf seiner Internetseite www.schnitzkunst-markus.de tun.
Am Ende packt er die Andreas-Kümmert-Melone wieder vorsichtig in feuchtes Krepppapier und Frischhaltefolie. Er muss noch überlegen, was er damit macht. Erst mal kommt sie wieder in den Kühlschrank – und ein Bild davon ins Internet.