Dass am vergangenen Freitagabend im Stadtgärtchen mit „Jodeling“ und „Schunkeling“ zwei Wortschöpfungen für den gemischten bayerisch-englisch Sprachgebrauch übrig blieben, ist ein lustiges Nebenprodukt eines gelungenen Event-Abends.
Viel wichtiger war, dass 165 Gäste aus Australien, Neuseeland, Kanada und England Marktheidenfeld kennen gelernt haben – und dass der Reiseveranstalter Scenic-Tours diesen Abend so toll gefunden hat, dass er für das kommende Jahr gleich 39 ähnliche Ereignisse fest gebucht hat.
„Warum müssen die großen Flusskreuzfahrtschiffe immer nur in Miltenberg oder Wertheim anlegen?“, fragt sich der Erlenbacher Weingutsbesitzer Johannes Deppisch. „Marktheidenfeld lohnt einen Besuch auch. Und das Umland hat gewiss reizvolle Ziele genug, die man touristisch nutzen kann und die sich so sehr von gewöhnlichen Stadtführungen unterscheiden. Die absolvieren die Kreuzfahrtteilnehmer zwischen Amsterdam und Budapest zur Genüge.“
„Mehr als 500 große Kreuzfahrtschiffe schippern jedes Jahr an Marktheidenfeld vorbei, alleine rund 360 von ihnen stoppen in Wertheim“, klagt Deppisch. Prompt hat er jetzt eines an Land gezogen – dank seiner jahrelangen Kontakte zu dem australischen Reiseunternehmen, das in Europa etwa 20 Schiffe unterhält und Tausende von Gästen durch die interessantesten Regionen fährt. Wertheim und Miltenberg sind fast immer dabei.
Diesmal gab es eine Fahrplanänderung. Mit vier Bussen ließ Deppisch die Fahrgäste in Miltenberg abholen. Alternativ bot er eine ganze Reihe von Besuchen und Besichtigungen an: Schnuppergolf in Eichenfürst, einen Besuch im Eisenhammer bei der Firma Kurtz, einen Rundgang durch die Homburger Papiermühle, einen Besuch auf dem dortigen Schloss mit der Tasteninstrumentenausstellung „Clavier am Main“, eine Pferdekutschenfahrt, einen Mini-Kochkurs mit einer fränkischen Hausfrau im Pfarrheim oder einen gemütlichen Kaffeeplausch.
„Wenn die Stadt zugemacht wird, kommt niemand mehr!“
Johannes Deppisch ist gegen eine völlige Verkehrsberuhigung
Sogar für den Rundgang durch einen Bauernhof mit Bullenmast konnte er Gäste begeistern oder für einen Abstecher in ein professionelles Bienenhaus in Zimmern. Für die Radtour entlang des Mains hat er aus ganz Main-Spessart die benötigte Anzahl von tauglichen Fahrrädern zusammen fahren lassen. Dass er auch Gäste in seinem eigenen Weingut bewirtete, war weniger Eigennutz denn eine Verbeugung vor dem Frankenwein – der besonders in englischsprachigen Ländern geschätzt wird.
Von 16 bis 19 Uhr dauerten diese Individual-Ausflüge, für die sich die Fahrgäste vorher an Bord entscheiden konnten. Gegen 19 Uhr traf man – nach einem kurzen Rundgang über den Marktplatz zum Mainkai – nicht wenige bepackt mit vollen Einkaufstüten aus der Innenstadt.
„So muss es sein“, begeistert sich Deppisch und unterstreicht, dass man auch Busse bis zum Marktplatz fahren lassen muss und den Zufahrtsverkehr nicht durch all zu große Fußgängerzonen blockieren darf. „Wenn die Stadt zugemacht wird, kommt niemand mehr!“
Unten im Stadtgärtchen empfingen die Freunde des Fränkischen Brauchtums aus Urspringen die Weltenbummler. Gerhard Hart und seine Begleiter tanzten fränkische Weisen und schnappten sich einige der Gäste zum Mitmachen. Schwerterklirren und wüste Rufe kündigten einen Überfall echter Flusspiraten (Gruppe Frank & Frey aus Würzburg) an. Dazwischen genossen die Gäste Gegrilltes, Marktheidenfelder Bier und andere Getränke.
Den musikalischen Ausklang gestaltete das Duo Liebler aus Erlenbach. Seemannslieder, bayerisches „Jodeling“, Frankenklänge oder internationale Songs – im Nu sah man Gäste beim Tanzen oder beim fidelen Schunkeln. „Das Arrangement ist im Kreuzfahrtpreis inbegriffen“, informiert Johannes Deppisch. Es ist individuell veränderbar, etwa der Jahreszeit angepasst. Auch völlig andere Zusammenstellungen sind möglich. Die geplanten 39 Events im kommenden Jahr sind nur mit dieser einen Schifffahrtsgesellschaft vereinbart. Deppisch steht aber auch in Kontakt mit weiteren Unternehmen und hofft auf eine kräftige Belebung des Torismus in der Stadt und ihrem Umland. Er weiß, dass viel Arbeit auf ihn und seine Mitstreiter wartet. „Aber dieser Abend hat gezeigt, dass man etwas erreichen kann, wenn engagierte Leute etwas auf die Beine stellen.“
„Dieser Abend sollte dem Veranstalter die Qualität und die Dienstleistungsbereitschaft beweisen und gleichzeitig zeigen, dass ganz Marktheidenfeld nachhaltig bemüht ist, attraktive touristische Konzepte zu entwickeln“, so Deppisch.
Allerdings: Von den Gästen am Freitag werden wohl keine mehr von Australien nach Marktheidenfeld zurückkommen. Deppisch sieht aber Chancen, den Namen der Stadt auch in anderen touristischen Bereichen bekannt zu machen – und vor allen Dingen auch zu nutzen.
Bürgermeisterin Helga Schmidt-Neder sieht die von Deppisch auf den Weg zu bringende Belebung des Tourismus durchweg positiv. Die Anstrengungen Deppischs werde sie nach den gegebenen Möglichkeiten unterstützen.
Gegen 22 Uhr wurden die Touristen von ihrem Schiff an der Hädefelder Anlegestelle wieder aufgenommen.