Die Verwandlung zum Heiligen geht flugs: Das weiße Unterkleid wird über den Kopf gezogen, der rot-gold bestickte Mantel liegt locker über den Schultern. Dann kommt der unangenehme Teil: Perücke und Rauschebart, beides schlohweiß und beides ziemlich kratzig. Zuletzt setzt sich Ralf Fürböter den hohen Bischofshut auf, streift die weißen Handschuh über und greift den Bischofsstab. Fertig ist die Figur des heiligen Nikolaus, Bischof von Myra.
Außen Nikolaus, innen Ralf Fürböter, 69 Jahre, gelernter Raumgestalter, jetzt passionierter Geschichtenerzähler in Homburg am Main. Seit vielen Jahren schon ist bei ihm der 6. Dezember für den Auftritt als Nikolaus im Kindergarten Homburg reserviert. Das Besondere: Er liest seine eigenen Geschichten. In diesem Jahr einen Text über ein kleines Mädchen aus armen Verhältnissen, das sehnsüchtig auf das Christkind wartet, von dem es sich eine Tafel Schokolade wünscht. Als die Dorfbevölkerung das mitbekommt, beschließt sie ein wenig nachzuhelfen, damit der Wunsch in Erfüllung geht.
"Wichtig ist, dass beim Vorlesen Spannung entsteht, die Stimme lauter und leiser wird."
Ralf Fürböter, Nikolaus
Worauf er achtet, wenn er an diesem Freitag seine Geschichte im Kindergarten vorträgt? „Wichtig ist, dass beim Vorlesen Spannung entsteht. Dazu muss die Stimme mal lauter, mal leiser werden“, erzählt Ralf Fürböter. Wenn dann zum Beispiel der Koch Smutje in seiner Geschichte auftaucht, sei wichtig, den Kindern zu erklären: Wo kommt der Begriff her? "Eigentlich heißt "smutje" schmutzig, das ist an Bord aber nicht abwertend gemeint“, erklärt Fürböter.
Und noch etwas will der Homburger in seinen Geschichten vermitteln: Dass es ohne manche Regeln nicht geht. „Der Heini hat nur einen Zahn“, zitiert Fürböter aus einer Erzählung. Und betont im Nachsatz: „Psst, Zähneputzen nicht vergessen.“
20 Weihnachtsgeschichten hat der gebürtige Lübecker geschrieben. Dazu unzählige Geschichten für Kinder, darunter besonders viele über Piraten. Die Geschichten von den Piraten hat ihm vor weit über einem halbem Jahrhundert sein eigener Opa Karl erzählt, bei dem Fürböter in Norddeutschland aufwuchs. Später dann hat er diese Geschichten seinen eigenen Kindern erzählt, dann seinen Enkeln. Seine Tochter ist mittlerweile seine erste Kritikerin. „Ihr maile ich die Geschichten zu und dann antwortet sie mir meist fränkisch-knapp: ",Geht‘ oder ,ganz gut‘", erzählt Fürböter schmunzelnd.
Neuer Plan: Ein Wikingerschiff für den Sandkasten bauen, mit Segel!
Überhaupt zum Geschichten-Vorlesen im Kindergarten gekommen ist er über den Oma-Opa-Tag. Nachdem er dort einige seiner Piratengeschichten erzählt hatte, wurde er von der Kindergärtnerin angesprochen. Seit dem kommt er regelmäßig zum Vorlesen – nicht nur als Nikolaus. Oder er kommt zum Werkeln. Sein neuestes Projekt: Ein Wikingerschiff für den Sandkasten bauen, mit Segel! Ob er in seiner Verkleidung als Bischof von Myra von den Kindern schon mal erkannt worden ist? Bisher nicht. Aber eins könnte ihn verraten. Sein übliches Honorar, dass er nach einem Erzählstündchen verlangt: Ein Pott Kaffee!