Eine Woche vor Schulbeginn kreischt noch eine Trennscheibe im Treppenhaus, ein Arbeiter schraubt die Halterung für die Treppe fest und manche Türgriffe sind noch mit einem Plastikschutz versehen. Doch alles läuft auf einen planmäßigen Unterrichtsbeginn an morgigen Dienstag hinaus.
Wer das Schulhaus schon seit Jahrzehnten kennt, betritt jetzt in den neuen Räumen gewissermaßen auch eine Neue Welt. Wo früher der markante rote Sandsteinklinker eine eher dunkle Optik verbreitete, wirkt jetzt alles lichtdurchflutet. Die Wände sind weiß verputzt, eine große Lichtkuppel und neue Fenster verbreiten eine bislang nicht gekannte Helligkeit, die auch vom Boden und den Türen zu den Räumen mitgetragen wird.

Neu ist auch die Gestaltung der Klassenzimmer. Sie sind im Grundriss zwar kleiner als die ursprünglichen, die für über 40 Schüler ausgelegt waren, doch dafür haben jeweils zwei Klassen einen gemeinsamen Gruppenraum und insgesamt stehen drei voll ausgestattete Computerzimmer mit schnellem Internet zur Verfügung. In den Unterrichtsräumen der dritten und vierten Klassen gibt es ein modernes "Whiteboard" mit computergestütztem Beamer, der vom Lehrertisch steuerbar ist. Außerdem sind an den Seiten je eine traditionelle Schultafel für den "Kreidebetrieb" angebracht. Eine moderne Lüftungsanlage sorgt in jedem Raum für gute Luftverhältnisse.
Mehrzweckraum kann in eine Aula verwandelt werden
Zusätzlich zu den Klassenzimmern gibt es einen Mehrzweckraum, der sich mittels verschiebbarer Faltwand in eine Aula verwandeln lässt, einen Werkraum, eine hochmoderne Küche im Bereich der Mittagsbetreuung und einen Handarbeitsraum. Auch das Lehrerzimmer ist etwas kleiner geworden, im Gegenzug ist auch hier eine separate Küchenzeile eingerichtet. Ein Arbeitsraum für die Lehrkräfte sowie einer für Medien, Unterrichtsmaterialien und Fotokopierer stehen zur Verfügung. Hell und einladend sind die Räume für das Sekretariat und die Schulleitung.
Selbstverständlich ist die neue Schule barrierefrei gestaltet. Ein Lift für das Obergeschoss steht bereit, ebenso einer für den Zugang zur Turnhalle. Die Räume der Mittagsbetreuung im Untergeschoss können durch eine Zufahrt von außen erreicht werden.

Auch wenn die fast schneeweißen Wände derzeit noch einen etwas kühlen Krankenhaus-Charme verbreiten, wird es den Lehrkräften und den Kindern bald gelingen, fröhliche und bunte Farben in das Haus zu bringen. Einige haben ihre Arbeitsplätze schon in den Ferien eingerichtet. Da sind schon Regale gefüllt und die Wände gestaltet, auch erste Zimmerpflanzen gibt es schon. Die offizielle Einweihungsfeier wird am 22. Oktober stattfinden.
Umbau im laufenden Betrieb
Als die Volksschule in Thüngen vor etwas mehr als 50 Jahren eingeweiht wurde, galt sie als eine "supermoderne" Vorzeigeschule. Bei der Einweihung schwärmten laut Mainpost-Bericht vom 4. Oktober 1969 die ersten Besucher von geradezu luxuriösen Neuerungen wie einer volleingerichteten Schulküche, einem eigenen Physiksaal, Filmsaal oder von den Werk- und Handarbeitsräumen. Nötig wurde der damals rund fünf Millionen Mark teure Bau durch die Schülerzahlen, die in den 1960er-Jahren enorm angestiegen waren. Für den Markt Thüngen war aber das Projekt allein untragbar, deshalb entschlossen sich die damals noch selbständigen Gemeinden Stetten, Heßlar, Binsfeld und Halsheim zusammen mit Thüngen einen Schulverband zu gründen.
Doch nach über fünf Jahrzehnten und mehreren tausend Schülern hatte der Zahn der Zeit doch enorm an der Bausubstanz genagt. Die Fenster waren blind geworden, die Fensterrahmen undicht und regelmäßig drang Regenwasser durch das Flachdach. Auch der technische sowie der energetische Standard konnte mit den Anforderungen der Zeit nicht mehr mithalten. So stellte sich seit einigen Jahren die Frage nach einem Neubau oder einer Generalsanierung.

Die Gemeinderäte rangen lange um eine Lösung und schließlich setzte sich Bürgermeister Lorenz Strifsky mit seinen Sanierungsplänen durch. Gut zwei Jahre wurde nun am Wendelsberg gebaut und dadurch, dass der Unterricht als Notbetrieb im westlichen Flügel, dem früheren Grundschulbau parallel weitergeführt werden musste, war diese Maßnahme sozusagen eine Operation am offenen Herzen.
Kostenplan fast exakt eingehalten
Zwei Jahre waren für die Sanierung geplant und eine Bausumme von rund 6,8 Millionen Euro zugrunde gelegt. Zum Vergleich: der Neubau im Jahr 1969 kostete fünf Millionen Deutsche Mark, also knapp ein Drittel. Mit einem gewissen Stolz verweist Thüngens Bürgermeister auf eine doppelte Punktlandung. Zum einen wird der Zeitplan weitgehend eingehalten, der Unterricht kann in den neuen Räumen planmäßig am ersten Tag des neuen Schuljahrs beginnen, auch wenn hie und da noch einige Arbeiten auszuführen sind, besonders bei den Außenanlagen.
Zum anderen ist es gelungen, den Finanzrahmen trotz Teuerung und Arbeitskräftemangel fast haargenau einzuhalten. Die veranschlagte Summe von 6,8 Millionen Euro wird nach dem jetzigen Stand lediglich um 50.000 Euro überschritten, das sind gerade einmal 0,7 Prozent.