Vor 200 Jahren, genau genommen am 13. Mai 1812, überschritt der französische Kaiser Napoleon mit der Grande armée in Lengfurt den Main und übernachtete, so sagt es zumindest eine Schrift-Tafel am „Weißen Roß“ am Marktplatz, mitten im Lengfurter Altort.
Dass die Lengfurter im Fall Napoleon ihre Probleme mit aufwändigen Feierlichkeiten haben, liegt wohl an den allseits verbreiteten Zweifeln, die durch das aufmerksame Lesen der historischen Quellen und Belege eher verstärkt denn ausgeräumt werden können. Die „lange Furt bei Trieffenstein“ hat der französische Kaiser wohl mit seinen Soldaten am 13.Mai 1812 auch tatsächlich überschritten, und womöglich dem späteren „Weißen Ross“ auch einen Blick, wenn nicht einen kurzen Aufenthalt gegönnt. Wenn die Datumsangaben in den entsprechenden Schriften denn auch stimmen, dürfte es aber schwierig für ihn gewesen sein, in Lengfurt genächtigt zu haben.
Napoleon hatte keine Zeit zum Schlafen – aus dem Stadtarchiv Aschaffenburg ist folgender Reiseverlauf sichergestellt: 13. Mai 1812, 3 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags von Mainz über Frankfurt – Pferdewechsel um halb 6 Uhr morgens – Aschaffenburg Ankunft um 9 Uhr, Weiterreise um 11 Uhr – nach Würzburg, also 150 Kilometer und somit Reisegeschwindigkeit von gut 10,3 Kilometer/Stunde. Die „Übernachtung“ in Lengfurt war somit eine Werbemaßnahme des damaligen Wirtes des „Weißen Rosses“.
Als gesichert kann gelten, dass trotz baulicher Maßnahmen, die im April 1812 auf dem vorgesehenen Reiseweg Napoleons „auf dem Weeg von Hanau nach Aschaffenburg“ noch im Gang waren, das Kaiserpaar auf der „Chaußée von Aschaffenburg nach Trieffenstein“, die auch noch Mängel aufwies bis in den Anfang Mai, unterwegs sein würde.
Offenbar hatte man sich etwas zu lange in Mainz aufgehalten und verweilte daher nur kurz in Aschaffenburg. Sicher ist, dass man in Lengfurt mit großem Gefolge den Main überquerte. Die Tafel des Kulturwanderwegs, die rechtsmainisch an der Furt aufgestellt wird, spricht von 35 000 Mann der „Großen Armee“, die den Main überquert haben, manche Quellen halten eher eine vierstellige Anzahl von Soldaten für wahrscheinlicher. Eine Inschrift auf der Wand des „Weißen Rosses“ und einer anderen an einem benachbarten Haus am Lengfurter Marktplatz erwähnt diese „Große Armee“ ebenfalls. Bei der Weiterreise des Kaiserpaars durch das nördliche Franken ist nämlich fast durchweg nur von einem „prächtigen Gefolge“ die Rede.
In den „Stadthistorischen Streiflichtern“ heißt es außerdem zu „Napoleon in Würzburg“, dass er nach 1806 zu seinem zweiten, offiziellen, mehrfach verschobenen Besuch am 13./14.Mai 1812 in Würzburg war. Weitere Stationen: 14. Mai Bamberg, 15. Mai Bayreuth, 16. Mai Dresden.
Die „Grande Armée“ schwoll später auf knapp eine halbe Million Soldaten an, als sie sich über Polen dann gegen Russland bewegte. Durch den Wintereinbruch, schlechte Versorgung, katastrophale logistische Fehlplanungen, Befall der Soldaten durch Läuse, Schützengrabenfieber und Fleckfieber und natürlich militärische Auseinandersetzungen wurde sie vernichtet wurde und nur knapp 20 000 (inklusive Napoleon) kamen zurück. Das bescherte wenigstens den Würzburgern einen dritten Napoleon-Besuch, und zwar am 2. August 1813, wo er am Guttenberger Hof zu Mittag speiste.