Dr. Thomas Werner aus Lohr wird zum 1. Oktober Chefarzt der Gynäkologie am Klinikum Main-Spessart, Standort Karlstadt. Diese Entscheidung traf der Kreistag, ohne die Stelle ausgeschrieben zu haben, allein aufgrund der fachlichen Qualifikation und der bisherigen Vita von Dr. Werner. Dieser Lebenslauf enthält auch einen wunden Punkt: Zwischen August 2004 und Dezember 2005 führte Dr. Werner in Bad Neustadt/Saale eine exklusiv ausgestattete gynäkologische Praxis in einem noblen ambulanten Gesundheitszentrum, dem so genannten Point-Center. Die Einrichtung hatte er zu einem guten Teil über Kredite finanziert. Doch Dr. Werner blieb in Bad Neustadt ohne wirtschaftlichen Erfolg, weshalb er seine Praxis nach einigen Monaten schloss. Seither hielt er sich an verschiedenen Orten auf, so dass ein Kreditgeber, die Landesbank Baden-Württemberg, ihn nach eigener Auskunft "postalisch nicht ermitteln" konnte. Weil Dr. Werner zudem seine Kreditraten nicht mehr bezahlte, kündigte ihm die Bank im März 2006 sein Darlehen. Wegen der vermeintlichen Unerreichbarkeit griff das Geldinstitut zum Mittel der öffentlichen Anzeige dieser Kündigung, wie sie am Dienstag im Anzeigenteil der MAIN-POST, Seite 30, zu lesen war.
Die Bank erklärt dazu auf Anfrage, dass es sich bei dem über das Amtsgericht Gemünden verbreiteten öffentlichen Inserat um "einen routinemäßigen Vorgang handelt, wenn man einen Schuldner sucht, der seine Raten nicht bezahlt". Nachdem nun durch die öffentliche Vorstellung des Chefarztes sein Aufenthaltsort bekannt sei, erwarte die Bank, dass er mit ihr Kontakt aufnehme. Dann werde man "unaufgeregt und unspektakulär" nach einer Lösung suchen.
Dr. Werner lässt hierzu über Landrat Armin Grein und Klinikreferent Ottmar Kliegl erklären:
"Herr Dr. Werner ist seit dem 12.09.2005 ordnungsgemäß in Berlin gemeldet. Die Meldung erfolgte, weil Herr Dr. Werner Arbeit suchend war, sich in Berlin relativ gute Chancen ausrechnete und sich der Beratung der Berliner Firma Pro Patient AG bediente." Die "postempfangsbevollmächtigte" Pro Patient AG habe Dr. Werners Adresse an seine Kreditgeber weitergegeben. Pro Patient schrieb dem Landratsamt hierzu: "Somit war die Annahme seiner Post permanent gewährleistet." ... "Warum eine Zustellung der Landesbank in Berlin fehlgeschlagen ist, ist deswegen nicht nachvollziehbar." Auch Klinikreferent Kliegl bestätigt mit Blick auf die vergangenen Verhandlungen über die Chefarzt-Position: "Dr. Werner war für uns immer erreichbar."
"Dem eventuellen Eindruck, er würde sich der Begleichung von Schulden entziehen, widerspricht Herr Dr. Werner ausdrücklich", erklären Landrat Grein und Kliegl. "Die Pro Patient AG arbeitet an einem Schuldentilgungsplan. Sie hat die Tilgung von Schulden deswegen vorläufig gestoppt." Dr. Werner, so verspricht Kliegl, "wird seine persönlichen Dinge in Ordnung bringen".
Die Reaktionen der Fraktionen im Kreistag Main-Spessart sind deutlich: Auf Anfrage der MAIN-POST erklären die Parteienvertreter, dass sie die Aufklärung der Vorwürfe durch Dr. Werner verlangen. Fast ausnahmslos wird das Verhalten des künftigen Chefarztes kritisiert, der eine Vorbildfunktion und Vertrauensposition einnehmen soll. Zudem verstehen einige Kreisräte nicht, warum Dr. Werner den Kreistag oder den Landrat nicht vorab über seine finanziellen Probleme informiert hat.
Unisono sind sich die befragten Fraktionsvertreter allerdings einig, dass die fachliche Qualifikation des designierten Chefarztes deshalb nicht in Frage gestellt werden dürfe.