Geplant war der Umzug ursprünglich bereits für Ende 2014. Nach einigen Verzögerungen ist es nun, rund zweieinhalb Jahre später, so weit: Das Haus St. Michael verlässt in Kürze Neustadt. Die Rehabilitationseinrichtung für aktuell 30 Menschen mit psychischen Erkrankungen zieht Anfang Mai nach Würzburg um. Noch unklar ist, wie es danach mit dem denkmalgeschützten Gebäudeensemble im Neustadter Klosterhof weitergeht.
Viereinhalb Jahre schebte das Damoklesschwert
„Ich will jetzt einfach, dass es rum ist“, sagt Ilona Englert, die Leiterin der seit 1978 in Neustadt angesiedelten und aktuell gut 30 Mitarbeiter zählenden Einrichtung. Seit viereinhalb Jahren schon schwebe der Umzug wie ein Damoklesschwert über dem vom Erthal Sozialwerk (ESW) getragenen Haus.
Dass die Zukunft im 2013 vom ESW gekauften ehemaligen Technikumhotel in Würzburger Stadtteil Heuchelhof liegen würde, war seither klar. Doch der Gebäudekomplex wurde außerplanmäßig zunächst als Studentenunterkunft und dann als Bleibe für Flüchtlinge genutzt. Nun jedoch steht der Umzugstermin: 2. bis 12. Mai.
Lachendes und weinendes Auge
Englert sieht dem Wechsel mit einem lachenenden und einem weinenden Auge entgegen. Man habe sich in all den Jahren sehr wohl gefühlt in Neustadt, sagt die Sozialpädagogin, die St. Michael seit zehn Jahren leitet, über sich und ihr Team. Die Neustadter seien der Einrichtung stets offen, engagiert und tolerant gegenübergestanden. „Ich hätte mir immer eine Lösung für Neustadt gewünscht“, macht Englert deutlich. Auch die Abgeschiedenheit und Ruhe sei für manche der Rehabilitanten, die in Neustadt in einem meist 16-monatigen Aufenthalt auf die Wiedereingliederung in den Berufsalltag vorbereitet werden, dienlich gewesen.
Nicht mehr zeitgemäß: Toiletten und Duschen auf dem Gang
Jedoch: Die Ausstattung speziell der Wohnräume sei mit Duschen und Toiletten nur auf dem Flur längst nicht mehr zeitgemäß, so Englert. Ein Umbau der Gebäude, die das ESW von der Diözese angemietet hat, wäre kaum oder nur mit nicht vertretbaren Aufwand möglich gewesen.
Man hätte die Häuser komplett entkernen müssen und hernach doch kaum die Anforderungen beispielsweise hinsichtlich Flurbreiten erfüllen können. Für den Brandschutz hätte man Außentreppen anbauen müssen, was bei den denkmalgeschützten Gebäuden schwierig geworden wäre. Insgesamt. Aus all diesen Gründen fiel die Entscheidung zum Umzug nach Würzburg.
Der Mietvertrag für Neustadt läuft laut Englert mit dem Auszug aus. Eine Nachnutzung ist noch nicht in Sicht.
Junge Flüchtlinge bleiben
Die zwei Gebäude des ehemaligen Technikumhotels in Würzburg sind laut Englert wie gemacht für das Haus St. Michael. Insbesondere die Unterbringung der Rehabilitanten entspreche Hotelstandard. Es wird schön“, sagt Englert über den neuen Standort, an dem momentan noch das Außengelände hergerichtet wird.
In Würzburg hat das Haus St. Michael künftig Platz für bis zu 45 Bewohner – gegenüber 41 Plätzen in Neustadt. Letztere habe man überdies oft nicht voll belegen können, weil aufgrund der sanitären Anlagen eine hausweise Geschlechtertrennung nötig gewesen sei, so Englert. In Würzburg plane man, das stationäre Angebot um eine ambulante Betreuung von psychisch Kranken zu erweitern.
Nicht alle Mitarbeiter ziehen mit um
Von den jetzigen Mitarbeitern machen jedoch nicht alle den Umzug mit. Vier Teilzeitkräfte schreckt offenbar die tägliche Fahrt nach Würzburg. Für sie werde es Auflösungsverträge geben, so Englert. 23 Mitarbeiter wechseln mit nach Würzburg. Sechs bleiben jedoch weiterhin in Neustadt – für die Betreuung der minderjährigen Flüchtlinge. Seit zwei Jahren kümmert sich das Haus St. Michael um diese. Aktuell gibt es eine Wohngruppe mit zwölf Bewohnern. Allerdings ist die Zukunft auch hier ungewiss. Denn mit dem Erreichen der Volljährigkeit müssen sie die Wohngruppen verlassen. Sollte es keine Neuankömmlinge geben, werde die Gruppe daher bis Dezember auf nur noch drei Bewohner schrumpfen, schildert Englert. Allerdings stehe die Aussage im Raum, dass im Mai womöglich wieder junge Flüchtlinge nach Neustadt kommen könnten.
Den oft jungen Rehabilitanten war es in Neustadt mitunter zu ruhig
Für die im Haus St. Michael auf den Wiedereinstieg in den Berufsalltag vorbereiteten Rehabilitanten im Alter von vorwiegend unter 30 Jahren wird bald jedoch Würzburg zur vorübergehenden Bleibe. In Neustadt sei es vielen wegen der fehlenden Einkaufs- und eingeschränkten Freizeitmöglichkeiten mitunter etwas zu ruhig gewesen, beschreibt Englert einen weiteren Aspekt des Umzugs.
Sehr gut sei in Neustadt jedoch der Kontakt zu klein- und mittelständischen Betrieben gewesen, in denen die Rehabilitanten durch Praktika auf den Wiedereinstieg in einen Beruf vorbereitet werden konnten, so die Einrichtungsleiterin weiter. Diesen Kontakt müsse man in Würzburg zu den dort noch dazu meist größeren Arbeitgebern nun erst aufbauen.
Behindertenwohnheim in Planung
In Neustadt gibt es unterdessen nach wie vor die Überlegung, im Anschluss an das Klosterareal ein Wohnheim für Menschen mit Behinderung aufzubauen. Bekanntlich ist das St.-Josefs-Stift in Eisingen seit Jahren bemüht, ein solches Haus mit wohl 16 Plätzen im Landkreis zu schaffen. Auserkoren hat man dafür ein Grundstück im Anschluss an das Klosterareal Richtung Marktheidenfeld. Dazu, so erklärt Thomas Senftleben, Pressesprecher des Stifts, liefen die Planungen. Allerdings sei noch nichts spruchreif.
Im Haus St. Michael laufen unterdessen die Vorbereitungen auf den Umzug auf Hochtouren. Englert spricht von einem „logistischen Mammutprojekt“. Man nehme alles mit, was nicht fest mit den Gebäuden verbunden sei.