Ein bisschen mehr Vocals hier, etwas weniger Schlagzeug da. „Eins, Zwo, Test!“ – schon beim Soundcheck merkt man, dass mit „Ohrenfeindt“ echte Profis beim „Rock am Tunnel“ auf der Bühne stehen. Die drei Musiker aus St. Pauli nehmen es sehr genau, um die Soundanlage für die nächsten zwei Stunden Vollgasrock perfekt abzustimmen. In der Zwischenzeit füllt sich auch nach und nach das Besucherareal vor der Bühne.
„Schwarzbrot. Graubrot. Weißbrot. Toastbrot.“ Es scheint, als wolle der Sänger mit dem vielsagenden Namen Chris Laut mit der streng akzentuierten Aussprache von Backwaren speziell das „R“ perfekt einpegeln. Schließlich soll es später bei dem Kracher „Rock'n'Roll-Sexgott“ auch richtig 'rüberkommen.
Und das tut es. Aber auch mit Songs wie „Komm schon und hol's Dir“, „Fluchtwagenfahrer“ oder „Rock'n'Roll-Mädchen“ jagen die drei Jungs vom Hamburger Kiez eine Menge Energie über die 50 000-Watt-Tonanlage in die Rienecker Nacht.
Sasha ist durch seinen Aufdruck auf dem Sweat-Shirt zweifelsfrei als „Ohrenfeindt“-Fan erkennbar. Er ist eigens aus Esslingen bei Stuttgart zum „Rock am Tunnel“ angereist, zum ersten Mal. Wie es ihm hier gefällt? „Na ja, ein bisschen feucht“, sagt er und tippt mit der Fußspitze in den noch leicht matschigen Boden vor der Bühnenabsperrung. Aber das ist ja nur der Rest vom Freitagabend. Da hatte der Regen noch für Open-Air-Atmosphäre der unangenehmeren Sorte gesorgt.
Auf Regen folgt Sonnenschein
Aber am Samstag wird der zweite Tag am Tunnel bei herrlichem Sonnenschein eröffnet, und zwar vom Rienecker Musikverein. Eine gute halbe Stunde lang gibt es erstmals in der Festivalgeschichte von der Bühne, die sonst nur hart gesottene Rocker beherbergt, gepflegte Blasmusik. Eine Idee, die sich Veranstalter Frank Maiberger beim populären Wacken-Open-Air abgeschaut hat. Dort heizt der Spielmannszug der Wackener Feuerwehr den Rock-Fans zur Eröffnung gehörig ein.
Doch die Symbiose Blasmusik-Hardrock, das will bei der Premiere in Rieneck nicht so recht gelingen. Eine Handvoll angetrunkener Mosher ist alles, was sich von Klarinette, Tuba und Tenorhorn mitreißen lässt. In ihrem Zustand hätten diese Rockfans aber sicher auch zu Kinderliedern getanzt und gegrölt.
Was die jungen Leute so treiben
Für viele ältere Rienecker, da ist sich Frank Maiberger sicher, war die Blasmusik aber endlich einmal ein Grund, auf das Festivalgelände am Tunnel zu kommen. Schließlich fragt man sich ja seit 20 Jahren, was die jungen Leute da draußen zwei Tage lang treiben. Man hat sich aber bislang nie so recht dahin getraut. Nach dem Trompetenecho hat es allerdings die Band „Ismael“ aus Burgsinn nicht ganz leicht, den sich gemächlich füllenden Platz neben der Bahnlinie Gemünden–Jossa wieder standesgemäß umzurocken.
Erst mit Einbruch der Dunkelheit und dem Auftritt der Headliner „Ohrenfeindt“ wächst die Besucherzahl wohl auf die vom Veranstalter angestrebten 2500 an. Auch für Sasha aus Esslingen geht damit der Abend erst richtig los. Wie er die Vorband aus dem Sinngrund fand? Die Musik sei nicht schlecht, betont der erfahrene Rock-Festival-Gänger, aber „man hat das halt schon so oft gehört“. Für ihn ist „Ismael“ eine Band von vielen, „eben nicht Ohrenfeindt“, sagt er und wendet sich wieder der Bühne zu, wo der Headliner des Abends gleich mit seiner mitreißenden Show beginnt.
ONLINE-TIPP
Viele Fotos vom „Rock am Tunnel“ im Internet unter www.mainpost.de