Mit einer temporeichen Vorstellung hielt der Vollblut-Kabarettist Helmut Schleich am Samstagabend sein Publikum in der fast voll besetzten Arnsteiner Stadthalle mehr als zwei Stunden lang mit seinem Programm „Nicht mit mir“ in Atem. Eigentlich sollte es ja ein Soloprogramm von Helmut Schleich sein, doch wer den Münchner Kabarettisten kennt, weiß dass dieser in Wirklichkeit eine zerrissene Persönlichkeit mit der Fähigkeit zum Doppelleben ist.
Auch in Arnstein zeigte er sich scheinbar in Begleitung von Figuren, die immer wieder Besitz von ihm ergreifen. Allen voran natürlich sein offensichtliches Lieblings-Alter-Ego Franz-Josef Strauß, der immer wieder über die Bühne poltert.
Es geht ganz schnell: Schleich zieht den Kopf ein, der Hals verschwindet und FJS hat ihn fest im Griff – sozusagen eine feindliche Übernahme durch die CSU-Ikone. „Das weißblaue Blut meiner Partei ist zu einer gelb-braunen Brühe verkommen“, schimpft er dann und sieht die Schuld beim hyperaktiven „Zick-Zack-Seehofer“, der uns glauben machen möchte, dass 46 Prozent der Wählerstimmen bei Landtagswahlen ein Erfolg seien. Beim Konklave würden die Wähler eingesperrt, bis eine Zweidrittel-Mehrheit zustande gekommen ist. Die Gags sind zwar sprachlich nicht immer brillant, aber sie sitzen passgenau: Genauso schnell wird der Gesichtsausdruck ganz mild, aus dem Gepolter wird ein sanftes, fast schon seniles Säuseln. Durchaus respektlos lässt Schleich nun Josef Ratzinger, den Don Camillo von München und Freising, mit Strauß streiten, wer von beiden der größere Bayer sei. Klar, dass der christlich-soziale Exorzismus nicht gelingt und Strauß den Ex-Papst an die Wand redet.
Helmut Schleich zieht alle Register der mimischen und sprachlichen Verwandlungskunst und braucht dabei neben Tisch und Stuhl nichts als sein Sakko, einen Schal sowie einen Zylinder. Heinrich von Horchen – der Gesangslehrer von Willi Fritsch, Marika Rökk und Johannes Heesters erscheint nun. Sein etwas zu lockeres Gebiss erklärt gelegentliche Ardiluga…, Artikulationsprobleme. Köstlich die Kombination von Grandseigneur und Tattergreis, der einst die Rolle der vierten Fliege in der Märchenoper vom tapferen Schneiderlein spielen und singen durfte.
Ungemein mundartlich polyglott zeigt sich Schleich als sächsischer Einsiedler, der beim Eremitenkongress im Schwarzwald mit 60 000 Gleichgesinnten auf engstem Raum zusammen kommt. Als schwäbelnder Vereinsvorsitzender fabuliert er über die Ansichten der Stammtischhistoriker zum linken, rechten oder islamischen Terrorismus und als Psychiater kuriert er in bestem Hochdeutsch seine Patienten mit all den Lebensweisheiten, die er in deutschen Schlagern gefunden hat.
Bei allen scheinbar groben Vereinfachungen, platten Vorurteilen und Stammtischparolen gibt Schleich seinen Figuren eine echte Gestalt, perfekt mit einfachsten Mitteln, bestens beobachtet am Original. Dabei gibt es keinen erkennbaren roten Faden im Programm, auch keine tiefe politische oder soziale Botschaft. Aber gerade durch die Vielzahl umwerfender Ideen, unglaublicher Verwinkelungen und skurriler Vergleiche entsteht ein kabarettistisches Meisterwerk.