Zehn Minuten – dann war die komplette Kaffee-Sahne-Torte verputzt. Holger Schewe, Inhaber von Schewe's Wein- & Genusswelten in Marktheidenfeld, wäre gewiss ein ausgezeichneter Konditor geworden. Architektin Daniela Wagner (Architekturbüro architekturhoch2), die gut mit ihm befreundet ist, hatte ihn kürzlich um einen Gefallen gebeten: Schewe sollte zur Übergabe des von ihr konzipierten Nebengebäudes auf dem Realschulgelände eine Torte in Schlüsselform backen.
Gerhard Pülz schmeckte es am Dienstag, dem ersten Schultag, besonders gut. Der Abteilungsleiter Bauwesen am Landratamt Main-Spessart aß gleich zwei Stücke, als er nach dem offiziellen Akt zusammen mit Peter Kühlwein (Abteilung Bauunterhalt am Landratsamt) und Architektin Wagner im Zimmer von Realschulleiter Dieter Schanzer beisammensaß. In Architektenverträgen sollte künftig generell festgeschrieben werden, dass Schlüsselübergaben in Kuchenform zu erfolgen hätten, scherzte er.
Doch nicht nur bei der Wahl des Kuchenbäckers hatte Wagner eine gute Entscheidung getroffen. Auch ihre Arbeit als Architektin kann sich fürwahr sehen lassen. Nur dem geschulten Auge fällt auf, dass das rot und weiß gestrichene Gebäude in Modulbauweise entstanden ist. Es setzt sich aus elf Elementen zusammen und bietet etwa 130 Schülern Platz. Sämtliche Fünftklässler, aufgeteilt in fünf Klassen, werden seit Dienstag auf den insgesamt rund 400 Quadratmetern Fläche unterrichtet. Im Erdgeschoss befinden sich zwei jeweils 62 Quadratmeter große Klassenzimmer und ein Mehrzweckraum, im oberen Stockwerk sind drei weitere Klassen untergebracht.
Erst mehr, dann weniger Schüler
Das Timing bei der Er- und Einrichtung des Erweiterungsbaus war perfekt. Schulleiter Schanzer sprach von einer „Punktlandung“. Am vergangenen Mittwoch hätten einige „starke Männer aus dem Kollegium“ beim Umzug geholfen; in den folgenden Tagen seien dann die kleineren Sachen von hüben nach drüben gebracht worden. Mindestens zehn Jahre wird das 580 000 Euro teure Provisorium den Schulhof zieren.
Den zusätzlichen Platz hat die Realschule dringend benötigt. Nach Angaben Schanzers gibt es im gerade begonnenen Schuljahr 30 statt bislang 28 Klassen. 836 Kinder zählt die Realschule aktuell; zum Ende des vergangenen Schuljahres waren es 810.
Dank des „Anbaus“ konnten drei der fünf Klassen, die in die ehemalige Berufsschule ausgelagert worden waren, zurückgeholt und die beiden zusätzlichen Klassen beherbergt werden. Zwei 6. Klassen bleiben in der früheren Berufsschule. Im Schuljahr 2011/12 soll die Zahl der Schüler weiter ansteigen. Schanzer kalkuliert mit „wenigstens zehn Schülern und einer Klasse mehr“. Mit 845 Kindern und Jugendlichen müsste die Spitze dann aber erreicht sein, prognostiziert er. Ein Jahr darauf wird es laut Schanzer wieder eine Klasse weniger und einen Rückgang auf etwa 825 Schüler geben. In den Schuljahren 2013/14 und 2014/15 soll die Gesamtzahl nochmals anwachsen. Danach rechnet der Schulleiter jedoch mit einem regelrechten Einbruch der Schülerzahl um zehn Prozent und mehr.
Inklusive der Teilzeitkräfte unterrichten derzeit 58 Lehrerinnen und Lehrer an der Marktheidenfelder Realschule. 19 sind neu hinzugekommen: zwölf im festangestellten Dienstverhältnis und sieben so genannte Einsatzreferendare. 16 Lehrer haben die Schule zum Ende des vergangenen Schuljahres verlassen.
Kreistag berät über Raumkonzept
Ein Termin wird nicht nur an der Realschule mit Spannung erwartet: der 1. Oktober. An diesem Tag wird sich der Bauausschuss des Kreistags mit dem Raum- und Gebäudekonzept für alle Marktheidenfelder Schulen befassen. Treffen wird sich das Gremium nicht – wie sonst üblich – im „fernen“ Karlstadt, sondern dort, wo es das Problem zu lösen gilt: in Marktheidenfeld, genauer gesagt in der Realschule. Architekt Bernd Müller (Architekturbüro bma), der den Zuschlag für das Großprojekt erhalten hat, wird den 16 Ausschussmitgliedern und Landrat Thomas Schiebel dort seine Pläne vorstellen.