Ein Widerspruch in sich, doch die Vorschriften zum Schutze der Gemeinschaft haben nun mal höchste Priorität: Das aus der Pest-Zeit stammende Gelübde der Adelsberger Bevölkerung, alljährlich eine Rochus-Wallfahrt aus Dank und zur Abwehr von Unheil zu gehen, hat in der aktuellen Zeit noch mehr an Bedeutung gewonnen. Eine Tradition, in der Parallelen zwischen Pest- und Corona-Pandemie spürbar sind, doch deren Durchführung aufgrund der nötigen Sicherheitsvorkehrungen in diesem Jahr nicht möglich war. Mit der Idee eines Rochus-Weges hatten die Adelsberger im Sommer eine Alternative gefunden. Die Umsetzung fand bei den Einwohnern und weit über den Ort hinaus großen Anklang.
Bildstöcke rund um Adelsberg, die Mariengrotte und die Ortskirche gehören zu den acht Stationen auf dem rund fünf Kilometer langen Rundweg, ausgestattet mit Impulsen in Form von Texten, von Gebeten und Liedern – im Oktober speziell zum Thema Erntedank. "Die Kirche ist auf der Suche nach neuen, zukunftsweisenden Methoden": Pastoralreferent Thorsten Kapperer entwickelte gemeinsam mit Cornelia und Josef Mennig, Monika Feistel und Josef Manger den Rochus-Weg in Adelsberg. "Wir müssen flexibel sein, die Kirche kann nicht nur auf starre Traditionen zurückgreifen. Dieser neue Weg ist ein schönes Beispiel dafür."
93 Menschen starben
1635 zeigte sich als besonders hartes Pest-Jahr: in Adelsberg starben 93 Menschen, fast die Hälfte der damaligen Bevölkerung. Zur Abwehr gelobten die Adelsberger Bittage zu den Schutzheiligen Sebastian und Rochus. Der Bittag zu Rochus ist der Ursprung der Wallfahrt, die anfangs zum Sodenberg (bei Hammelburg), ab 1967 jährlich nach Schönau verlief. Jedes Jahr am 15. August machten sich um 5.45 Uhr rund 100 Teilnehmer samt Musikkapelle auf ihren sieben Kilometer langen Weg. Nach dem gemeinsamen Gottesdienst in der Klosterkirche Schönau traten sie den Rückweg an; beim Festbetrieb an der Adolphsbühlhalle fand man einen gelungenen Abschluss des Tages. Diese Tradition wurde ausnahmslos Jahr für Jahr durchgeführt – bis 2020.
Auf Anweisung des Bistums Würzburg dürfen zum Schutze der Allgemeinheit keine Wallfahrten stattfinden. Die Idee eines Rochus-Weges brachte das Ehepaar Mennig aus dem Urlaub auf Föhr mit nach Hause: Anstelle von öffentlichen Gottesdiensten zum Pfingstfest lud dort ein "Pfingst-Weg" die Gläubigen zum spirituellen Spaziergang am Strand ein. Der Gedanke eines ähnlichen Angebot in der Heimat, speziell in Bezug auf den Pestheiligen Rochus, fand im Kreise des Vorbereitungsteam der Rochus-Wallfahrt sogleich Unterstützung.
In vielen ehrenamtlichen Stunden wurden die einzelnen Stationen verwirklicht und ein Wegeplan erstellt. Der Rundweg dauert etwa 90 Minuten, er ist gut ausgeschildert, kinderwagenfreundlich und für jedes Alter geeignet. "Auch Personen, die altersbedingt die Wallfahrt nach Schönau nicht mehr begleiten konnten, haben nun eine gute Alternative", ist sich das Team einig. Denn die Stationen stehen unabhängig für sich, bauen nicht aufeinander auf. Sie sind individuell einteilbar, der Rundweg muss nicht im Ganzen gelaufen werden.
Positive Rückmeldungen
Beginnend mit Impulsen rund um den Heiligen Rochus wechselte die Thematik nun auf Erntedank. In den ersten Tagen nach der Eröffnung am 15. August waren bereits über 100 der Wegepläne aufgebraucht, die an der ersten Station am Bildstock in der Nähe des Friedhofs erhältlich sind. Aufgrund der zahlreichen positiven Rückmeldungen zeigt sich das Team rund um Thorsten Kapperer begeistert und ist motiviert, den Weg auch in 2021 weiter aufrecht zu erhalten.