Nach Blechschmidts Angaben im Stern habe ihn genau jene Polizei-Eskorte an die Taliban verraten, die er zum Schutz für eine Fahrt zu einem Staudamm angefordert hatte. Ein mit einer Schrotflinte bewaffneter Afghane habe die Eskorte am Stausee bereits erwartet und einen Signalschuss abgegeben, woraufhin mehrere schwer bewaffnete Taliban von zwei Seiten auf die Gruppe zugestürmt seien. „Die Polizisten standen am Hang und haben auf die Taliban gewartet“, so Blechschmidt. „Ich hab' im Auto noch eine Beretta-Pistole gehabt, aber mir überlegt: Wenn die Polizisten nicht schießen, ist das zu gefährlich, wenn ich mir mit den Taliban ein Feuergefecht liefere.“
Motiv war Geld
Die Hintergründe der Entführung seien kaum politisch motiviert gewesen, da die Kidnapper nach eigenen Angaben gar nicht genau gewusst hätten, wen sie da verschleppten: „Die wussten, dass Ausländer kommen, die den Damm reparieren wollen – und die haben im Zweifelsfall Geld. Das war's.“
Als Blechschmidt am 27. September freigelassen werden sollte, sei es der afghanische Geheimdienst gewesen, der dies aus Geldgier vereitelt habe: „Die waren scharf auf das Lösegeld und hatten gedacht, sie könnten die Taliban übers Ohr hauen“, sagte Blechschmidt dem Stern. „Sie wissen, wo und wann das Geld übergeben wird und greifen sich die Vermittler. Aber sie waren zu dilettantisch, haben sofort zugegriffen und sind beobachtet worden. Da musste die Botschaft erstmal tagelang zusehen, das Lösegeld zurückzubekommen.“
Da der Geheimdienst die beiden Vermittler sowie zwei ihrer Verwandten festgenommen hatte, seien die weiteren Verhandlungen massiv erschwert worden: „Der Geheimdienst wollte sein Gesicht wahren und hat behauptet, die seien Top-Terroristen. Die dürfte man auf keinen Fall laufen lassen. Dabei waren das einfache Taliban.“
Der afghanische Präsident Hamid Karsai sei dadurch in eine heikle Lage geraten, denn gegen die Freilassung von Taliban-Anführern hatte es in vorherigen Entführungsfällen massive Proteste westlicher Regierungen gegeben. Der afghanische Geheimdienst habe sich bis zum Schluss gegen die Freilassung der von ihm festgenommenen Unterhändler und deren Angehörigen gesträubt. Dass er, Blechschmidt, am Ende überhaupt freigekommen sei, habe er nur dem massiven Druck der Bundesregierung zu verdanken.
Lage erschwert
Doch auch das Verhalten des deutschen Krisenstabes und der deutschen Botschaft schildert Rudolf Blechschmidt differenziert: Einerseits hätten die BKA-Beamten und der deutsche Botschafter in Kabul sich vehement für seine Freilassung eingesetzt. Doch auch das Verhalten einzelner deutscher Diplomaten habe seine Lage erschwert: Am 15. August habe er in einem Telefonat mit dem stellvertretenden deutschen Botschafter die Botschaft des lokalen Taliban-Kommandanten übermittelt, der rasch und ohne Vermittler zu einer Einigung kommen wollte.
„Aber der Diplomat sagte nur: ,Ich telefoniere nicht mit den lokalen, nur mit den Taliban ganz oben, die treffen die Entscheidungen!‘ Da war nichts zu machen“, so Blechschmidt zum Stern. Eben jene direkten Verhandlungen mit den Geiselnehmern seien dann später doch aufgenommen worden und hätten auch zum Erfolg geführt, „nur eben erst Wochen später“.
„Ich kriegte keine Luft mehr, es war, als hätte ich einen Eisenring um die Brust.“
Rudolf Blechschmidt zur Geiselhaft in Afghanistan
In der Fernsehsendung „Beckmann“ in der ARD schilderte Blechschmidt, dass er mehrfach unter Panikattacken und Todesangst gelitten habe. „Ich kriegte keine Luft mehr, es war, als hätte ich einen Eisenring um die Brust“, berichtete der 62-Jährige. „Ich hatte zwei, drei solcher Anfälle“, sagte er. Die Panikattacken habe er in einer Erdhöhle erlitten, in der ihn seine afghanischen Entführer acht Tage lang versteckt gehalten hätten. Der Bauunternehmer sieht seine berufliche Existenz nach der fast dreimonatigen Geiselhaft ruiniert.
Zur Zeit lebt Blechschmidt bei seiner Ex-Frau in Ottobrunn bei München. Gesundheitlich gehe es ihm inzwischen wieder besser: „Von den 17 Kilo, die ich während der Geiselhaft abgenommen habe, sind fünf schon wieder drauf.“