Das Jubiläum beginnt mit einem Paukenschlag: In seinem 50. Jahr geht das Marktheidenfelder Traditionsunternehmen Scheer in die vorläufige Insolvenz. Am Montag beantragte der geschäftsführende Gesellschafter, Michael Lüchtrath, beim Amtsgericht in Würzburg die Eröffnung des Verfahrens. Am Mittwoch informierte er Belegschaft und Öffentlichkeit.
In finanziellen Schwierigkeiten sind die Ludwig Scheer GmbH & Co. KG und die Scheer Spiele GmbH & Co. KG, beide Marktheidenfeld, teilt Lüchtrath mit. Sie stellen Verpackungen, Werbe- und Produktträger aus Pappe sowie Spiele her. Nicht betroffen seien weitere Firmen der Gruppe und diverse Beteiligungen.
„Spiele des Jahres“ wie „Carcassonne“, „Die Siedler von Catan“ und „El Grande“ machten Scheer bekannt. Und Spiele waren es auch, die die Unternehmensgruppe in Schieflage brachten. Seit 2008 fuhr die Produktionsstätte in Ingolstadt, die Scheer einst von der Firma Schmidt Spiele übernommen hatte, Verluste ein. Internationale Konkurrenz und die Pendeltransporte drückten auf die Erlöse.
Als Folge holte Lüchtrath im Sommer 2010 die Spieleproduktion nach Marktheidenfeld, aber diese interne Sanierung habe sich nicht in dem geplanten Kosten- und Zeitrahmen ausgewirkt. Als der Unternehmer daher einen weiteren Kredit von seiner Hausbank wollte, blieb diesmal die Zusage aus. Wegen drohender Zahlungsunfähigkeit ging Lüchtrath daraufhin zum Amtsgericht.
Zur schlechten Lage hätten auch finanzielle Unregelmäßigkeiten in der kaufmännischen Leitung von Scheer geführt, was Anfang 2010 zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses eines Prokuristen geführt habe. Den dabei entstandenen finanziellen Schaden sieht Lüchtrath „im hohen sechsstelligen Bereich“. Als vorläufiger Insolvenzverwalter fungiert nun Rechtsanwalt Dr. Markus Schädler, Würzburg, der erst vor kurzem eine erfolgreiche Lösung für die Kreuzwertheimer Firma Atec gefunden hat, die ebenfalls in finanzieller Schieflage war.
Auch in Marktheidenfeld lautet Schädlers Anspruch: „Ich trete an, um zu sanieren. Wir werden um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen, denn ohne die Mithilfe der Mitarbeiter geht es nicht.“
Löhne sichern
Als eine der ersten Aktionen will Schädler versuchen, die im Dezember nicht ausgezahlten Löhne für die Beschäftigten locker zu machen. Außerdem wird er ihre Bezahlung von Januar bis März durch Insolvenzgeld sichern.
Gleichzeitig bemüht sich Schädler um die Sanierung. Dabei hilft dem vorläufigen Insolvenzverwalter, dass offenbar Kunden und Lieferanten mitspielen. Gleiches berichtet er von den 407 Mitarbeitern. In der Belegschaftsversammlung am Mittwoch hätten sie gezeigt, dass sie mit den Verantwortlichen an einem Strang ziehen wollen.
Darüber freut sich Uschi Lüchtrath, Ehefrau des Geschäftsführers und im Familienunternehmen verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit. Betriebsratsvorsitzender Bernd Hörner und ver.di-Vertreter Peter Baumann hätten sich konstruktiv verhalten. Es habe keine Vorwürfe gegen die Geschäftsführung gegeben. Der Tenor sei gewesen: „Alle müssen zusammenhalten.“
Michael Lüchtrath ist deshalb „fest davon überzeugt, dass wir nach einer fundierten Sanierung am Markt bestehen können“. Der Betrieb solle reibungslos weiterlaufen. „Es ist traurig, dass ein bis vor kurzem noch gesundes Unternehmen mit guten Umsätzen und guter Kundenstruktur diesen Weg nehmen muss“, zeigte sich Lüchtrath enttäuscht darüber, dass es nicht gelungen sei, eine nachhaltige Finanzierung zu erreichen. Aber er sei „fest gewillt, in Abstimmung mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter unser Traditionsunternehmen zu sanieren und dauerhaft zu etablieren“. Und seine Frau Uschi ergänzt: „Scheer soll nach wie vor mit dem Namen Lüchtrath erhalten bleiben.“
Unternehmensgruppe Scheer
Seit 50 Jahren existiert Scheer in Marktheidenfeld. In der Eichholzstraße und auf dem Dillberg werden Werbesysteme und Spiele für namhafte Kunden hergestellt. Einem größeren Publikum ist der Name bekannt, weil die Scheer Spiele GmbH & Co. KG mehrfach das „Spiel des Jahres“ gefertigt hat.
Zu den Kunden, für die das Stammhaus, die Ludwig Scheer GmbH & Co. KG, Werbung und Verpackungen produziert, gehören Nintendo, Bayer, Lidl und Filtral. Scheer beliefert auch McDonald's exklusiv mit Display-Werbung für über 40 Länder.