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Schinkenklopfen beim "Zapf"

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Schinkenklopfen beim "Zapf"

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    ... Jarhren zeigt Gustav "Zapf" Bald (rechts) mit seiner
Frau Pauline und den Söhnen (von links) Erwin und Gregor sowie einem
Bekannten (hinten) aus München und dessen Kind.
    ... Jarhren zeigt Gustav "Zapf" Bald (rechts) mit seiner Frau Pauline und den Söhnen (von links) Erwin und Gregor sowie einem Bekannten (hinten) aus München und dessen Kind. Foto: REPRO F. HEILGENTHAL

    In dem kleinen linksmainischen Dorf gab es damals zwei Gasthäuser: die "Jägersruh" von Vinzenz Mehler, heute Gasthaus "Zur Scheune", und etwas oberhalb die Dorfwirtschaft von Gustav Bald, die keinen besonderen Namen hatte. Gustav war Metzger und mit seiner Frau Pauline, die ihren nicht sehr groß gewachsenen Gatten um Haupteslänge überragte, betrieb er sein gut gehendes Gasthaus bis in die Wirtschaftswunderjahre mit eigener Hausschlachtung. Auf seine Hausmacher Wurst war der Zapf mächtig stolz. So vergaß er gegenüber fremden Gästen nie zu erwähnen, dass sie als Büchsenwurst nach dem Krieg sogar nach Berlin geflogen wurde.

    Mit der Zeit gab es ringsum modernere Gasthäuser. Auch starb Pauline Bald 1977. Doch der Gustav mochte sein Lebenswerk nicht verlassen, er veränderte nichts in seiner Umgebung und bediente seine Gäste weiter bis ins hohe Alter. Über die steinerne Außentreppe, vorbei an den alten Emaille-Werbeschildern, kam der Gast in die helle Gaststube mit der gemütlichen Holztäfelung, den großen Heizkörpern und den rustikalen Bodendielen, die gelegentlich würzig nach Bohnerwachs rochen. Neben dem Eingang stand die "Rock-Ola-Musikbox, auf den Bänken an der Wand lagen gestapelt die Illustrierten der vergangenen 25 Jahre und in der Mitte glänzte als unvergessenes Prunkstück der bestgeölte Kickerautomat weit und breit.

    Hinten rechts stand fast wie ein Altar die Theke, über die der Chef gerade schauen konnte. Mit lustig zwinkernden Augen fragte er im professionellen, freundlichen Wirtston: "Was darf's denn sein?" Und er sagte sein ganzes Angebot auf: "Kulmbacher Hell, Dunkel, Pils . . ." Der Zapf hatte von verschiedenen Brauereien und von jeder Biersorte ein paar Fläschchen im Keller. Als Delikatesse für die Brotzeit lagerten in der Gefriertruhe ohne Stromanschluss die frischen Weck vom Höschter Beck und dazu gab es einen "roten Wurstsalat" oder ein Döschen Presssack aus der Metzgerei seines Sohnes Erwin in Großwernfeld.

    Die Polizeistunde war strikt einzuhalten. Dafür sorgte der schwere Riegel, der von innen vorgeschoben wurde. Aber weil der Gustav ein freundlicher Mensch war, öffnete er auch in den frühen Morgenstunden nach der Frage "Wer da?" meistens doch noch einmal die Tür. Manche "geschlossene Gesellschaft" löste sich daher erst mit den hellen Sonnenstrahlen des neuen Tages auf.

    Oftmals versammelten sich die Burschen zu später Stunde noch zu einer Runde "Schinkenklopfen". Ein derbes Spielchen, bei dem derjenige in der Mitte, mit zugehaltenen Augen über einen Stuhl gebeugt, erkennen muss, wer von den Umstehenden mit einem kräftigen Schlag sein Hinterteil getroffen hat. Wer erraten wird, ist das nächste Opfer.

    Der Gustav war immer gern dabei und drohte jedem seine starke Metzgerhand an. Allerdings wunderte er sich bei seinen Auftritten, dass seine Handschrift so oft erkannt wurde. Bei den Teilnehmern hatte es sich natürlich herumgesprochen, dass jedesmal sein Wechselgeld in der Westentasche klapperte, wenn er zuschlug. Die Folge war, dass der Wirt gelegentlich zwei Tage lang die Mahlzeiten im Stehen einnahm.

    In ruhigeren Stunden erzählte Gustav faszinierende Geschichten aus seinem Leben als Soldat im ersten Weltkrieg, in dem er an der Westfront als "Pionier-Luftschiffer" die Motorwinde der Beobachtungsballons bedienen musste. Mit sorgenvoller Miene schilderte er dabei die Angriffe der "schnellen englischen Flieger" mit ihren gefürchteten Revolverkanonen: "Wenn man die Doppeldecker gehört hat, hat es noch genau sechs Minuten gedauert, bis sie da waren. Da mussten unsere Herren Offiziere gelegentlich mit dem Fallschirm abspringen". Als Souvenir präsentierte er eine englische Fliegeruhr mit der Gravierung "Royal Flying Corps 1916". Glück habe er schon immer gehabt im Leben, pflegte er dabei zu sagen und berichtete weiter von seiner kriegsbedingten tagelangen Eisenbahnfahrt quer durch Europa, bis nach Rumänien, wo die Soldaten mitten im Krieg die Felder bestellten.

    Einmal landete eine Senioren-Rudermannschaft aus dem Ruhrgebiet auf ihrer Main-Wanderfahrt versehentlich beim Gustav. "Hier ist das Leben" sollen die, die noch sprechen konnten, gesagt haben. Während der Gustav hinter der Theke mit einem verschmitzten Lächeln immer noch einen "Massebücher Berggeist" eingeschenkte.

    Gustav Bald stand noch im 83. Lebensjahr hinter der Theke. Er starb 1985 im Alter von 88 Jahren. Viele gestandene Familienväter erinnern sich heute noch gern an ihre jugendlichen Treffen "beim Gustav", als draußen die Mopeds standen und drinnen am Tischkicker große Schlachten geschlagen wurden. Die Wirtschaft existiert nicht mehr, aber an den Gustav erinnert noch die "Opa-Weiße", seine legendäre Weiße Hausmacher. Sie wird inzwischen in der dritten Generation von Enkel Gerold in der Original-Rezeptur nur mit Naturgewürzen hergestellt und ist nach wie vor ein Erfolgsschlager in der Metzgerei Bald in Wernfeld.

     
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