Jürgen Wagner bildete die Vorhut. Der Ingenieur aus dem Mainzer Raum fand nach Beendigung des Studiums 1989 Arbeit bei der Braun AG und zog nach Marktheidenfeld. 1996 kam seine damalige Freundin Pamela Hirschmann aus Rheinland-Pfalz nach; die beiden zogen in die Glasergasse 5 und heirateten im Jahr darauf.
Das Nachbarhaus in der Glasergasse 3 war damals noch bewohnt, aber nicht mehr im besten Zustand. Nachdem es einige Jahre lang leer gestanden hatte, kauften Wagner und Hirschmann das Gebäude im Jahr 2004 für 40 000 Euro. „Das Haus bedurfte einer gründlichen Sanierung. Das Dach war undicht, die Substanz nicht gut“, erinnert sich Jürgen Wagner. Pamela Hirschmann war von der Idee fasziniert, das Haus nach Hundertwasser-Art zu gestalten. Einen Partner für dieses Unterfangen fand das Ehepaar schnell. „Wir waren oft beim Tag des offenen Denkmals unterwegs und haben dabei Architekt Johannes Hettiger kennengelernt“, so Wagner. „Als wir mit ihm das Haus Glasergasse 3 zum ersten Mal begangen haben, war die Begeisterung für eine individuelle Gestaltung auf beiden Seiten groß.“
Hettinger sagt: „Es war eine große Herausforderung, das Haus organisch zu gestalten.“ Bei der Planung sei Hundertwasser eher Inspiration als direktes Vorbild gewesen. „Wir haben viel eigene Kreativität und Individualität eingebracht“, so Hettiger.
Konservativ und kreativ
Allerdings waren der Originalität bei der Fassade Richtung Glasergasse Grenzen gesetzt. „Der Sanierungsausschuss der Stadt hat Wert darauf gelegt, dass sich das Haus weiterhin ins Stadtbild einfügt“, erklärt der Architekt. „Im privaten Bereich zum Hof und Garten wurden uns dagegen größere Gestaltungsfreiheit eingeräumt.“
Nachdem die Städtebauförderung dem Projekt Zuschüsse genehmigt hatte, wurde im Juli vergangenen Jahres mit der Sanierung begonnen. Seit diesem Frühjahr ist der Bau ein Blickfang für Fußgänger, die die farbenfrohe Fassade durch den Stichweg von der Obertorstraße aus entdecken. „Viele Interessierte sind einfach in unseren Hof hereinspaziert“, sagt Hirschmann mit einem Schmunzeln.
Der Bau sei eine kreative Arbeit gewesen. „Anfangs fiel es den Handwerkern schwer, auf rechte Winkel zu verzichten und die Wasserwaage aus der Hand zu legen“, so Hettiger. „Später haben sie sich mit eingebracht, auch bei der Farbgebung und Gestaltung.“
Im barrierefreien Erdgeschoss wohnt Hirschmanns Vater, im oberen Stock betreibt sie Mediation. „Das Haus übt mit seinen runden Formen und frischen Farben einen positiven Einfluss auf die Menschen aus, die zur Konfliktlösung zu mir kommen“, sagt sie. Dank der „natürlichen Entwicklung des Baus mit dem Engagement vieler Beteiligter“ gefällt Pamela Hirschmann ihr Haus nun „noch besser, als ich es mir vorgestellt hatte“.