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MARKTHEIDENFELD: Schulsport: Die Jugend hat nachgelassen

MARKTHEIDENFELD

Schulsport: Die Jugend hat nachgelassen

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    Die Rolle vorwärts ist die denkbar einfachste Turnübung. Sportlehrer Peter Hartmann stellt fest, dass sie vielen Kindern heutzutage Probleme bereitet. Der Sechstklässler im Bild bekommt die Rolle gut hin.
    Die Rolle vorwärts ist die denkbar einfachste Turnübung. Sportlehrer Peter Hartmann stellt fest, dass sie vielen Kindern heutzutage Probleme bereitet. Der Sechstklässler im Bild bekommt die Rolle gut hin. Foto: FOTOs (2) Markus Rill

    Brigitte Faber, seit über 25 Jahren Sportlehrerin, ist sicher: „Im Vergleich zu meiner Anfangszeit kann ich eine deutliche Verschlechterung der körperlichen Leistungsfähigkeit meiner Schülerinnen feststellen.“ Bei Kondition und Koordination hat die Lehrerin am Balthasar-Neumann-Gymnasium Schwächen erkannt. „Ich sehe das beim Seilspringen und im Umgang mit Bällen“, so Faber.

    Peter Hartmann und Andreas Glas, beide Sportlehrer an der Staatlichen Realschule Marktheidenfeld, sagen: „Beim Turnen und Schwimmen werden große Schwächen sichtbar.“ Tatsächlich zeigt sich beim Unterrichtsbesuch, dass die Mehrzahl der Kinder bereits bei der Rolle vorwärts ins Straucheln gerät. Einfache Übungen wie Stehen auf einem Bein und ein Sprung aus dem Stand mit kompletter Drehung überfordern viele der elf- und zwölfjährigen Jungen ebenfalls.

    Geändertes Freizeitverhalten

    Die Gründe für diese Tendenz liegen nach Ansicht der Lehrer auf der Hand. „Das Freizeitverhalten hat sich drastisch geändert“, erklärt Brigitte Faber. Hartmann spricht ironisch von „Fernseh- und Computerleichen“. Unstrittig ist, dass die Kinder heutzutage weniger Freizeit als früher mit Sport und Bewegung an der frischen Luft verbringen.

    Außerdem seien „bestimmt ein Drittel der Schüler übergewichtig“, schätzt Andreas Glas. Beim Schwimmunterricht werde das deutlich. Das liege wohl an der Ernährung der Kinder mit zu viel Cola und Tiefkühlpizza, meint Peter Hartmann: „In größeren Städten ist das Problem noch größer. Wahrscheinlich auch, weil es dort mehr Fastfood-Läden gibt.“ Bevor er 2003 ans BNG kam, unterrichtete Hartmann zwölf Jahre lang in Aschaffenburg.

    Die Problematik wurde vom bayerischen Kultusministerium erkannt. Deshalb steht heutzutage der Leistungsgedanke nicht mehr im Vordergrund des Sportunterrichts. „Die Anforderungen sind stark gesunken, die Tabellen zur Notenvergabe wurden deutlich nach unten korrigiert. Im Schwimmen und in der Leichtathletik genügen heute schwächere Leistungen als vor zwanzig Jahren für eine gute Note“, sagen die Lehrer übereinstimmend.

    „Die großen Schulklassen sind die größte Sünde in unserem Bildungssystem“

    Peter Hartmann, Sportlehrer an der Staatlichen Realschule Marktheidenfeld

    Außerdem könne ein Schüler mit schwächeren Leistungen dank einer Fairness-Kooperationsnote und des pädagogischen Ermessensspielraums auf eine akzeptable Note im Fach Sport kommen. „Wer unsportlich ist, sich aber bemüht und mitmacht, soll keinen Fünfer bekommen“, sagt Hartmann.

    Grundsätzlich gehe es im Sportunterricht heute darum, den Kin-dern überhaupt Bewegung zu verschaffen. „Ich will den Puls der Jungen wenigstens einmal in der Woche hochbringen“, so Hartmann. Dazu gehöre der Einsatz verschiedener Spielformen und „affektiver Sportarten“ wie Jonglieren, Frisbee, Tanz. „Die Kinder sollen möglichst viele verschiedene Bewegungserfahrungen machen.“ Brigitte Faber sagt: „Grundsätzlich halte ich diese Veränderungen im Lehrplan für sinnvoll. Aber mein Berufsbild hat sich stark geändert. Ich wurde nicht als Animateurin ausgebildet.“

    Bundesjugendspiele werden am Gymnasium nur noch in den Klassen fünf bis sieben als Sportfest veranstaltet. „Bei den älteren Schülern zählen die Leistungen im Sportunterricht. So wird vermieden, dass sich schwächere Schüler vor der ganzen Schule blamieren“, erklärt Faber.

    Manche Bestandteile des Lehrplans seien gar nicht mehr zu erfüllen. „Der Überschlag am Trampolin ist nur noch für die Hälfte der Klasse machbar“, sagt die Pädagogin. „Das Verletzungsrisiko für die anderen ist zu hoch.“ Hartmann mahnt: „Man sollte den Leistungsgedanken nicht völlig außer acht lassen. Ich kann keine Leistung bringen, wenn sie nicht von mir verlangt wird.“

    Verantwortung der Eltern

    Wenigstens wurde der Trend der rückläufigen Stundenzahlen in Bayern gestoppt. Dem Minimum von zwei Sportstunden pro Woche wird auch an der Marktheidenfelder Realschule und dem Gymnasium vor allem in den unteren Jahrgangsstufen vermehrt wieder eine dritte Stunde hinzugefügt.

    Hartmann hält aber fest: „Ich kann nur guten Sportunterricht anbieten, nicht aber die Gesellschaft umkrempeln.“ Dass Sportlehrer bei einem Elternabend der Schule kaum besucht würden, zeigt, dass vielen Eltern das Interesse für Gesundheit und Fitness ihrer Kinder fehle, meint Glas.

    Das größte Problem für die Lehrer seien aber die Klassenstärken. „Das gilt beim Sport wie in allen Fächern. In einer Klasse mit 20 Schülern kann ich einiges bewegen, in einer 30er-Klasse ist es sehr schwierig“, betont Andreas Glas. Hartmann meint gar: „Die großen Klassen sind die größte Sünde in unserem Bildungssystem.“ Dies zu verbessern, liegt jedoch nicht in der Hand der Lehrer.

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