Ob auf einer Blumenwiese, feenhaft im Wald oder mit hochhackigen Schuhen auf einem alten Traktor sitzend – von Silvana Mielke und Felix Keßler, beide 17, lassen sich junge Leute gerne ablichten. Sie reißen sich geradezu darum. Wer drankommen möchte, muss sich auf eine zweiseitige Warteliste setzen lassen. Das Fotografenduo aus dem Sinngrund, sie aus Mittelsinn, er aus Burgsinn, knipst seit gut einem Jahr unter dem Künstlernamen „Schallplattenknistern“. Von Felix erscheinen demnächst sogar Bilder in einem amerikanischen Modemagazin.
Die Porträts von Silvana und Felix sind keine Schnappschüsse. Im Gegenteil: Mit ihrer Freundin Elisa Irollo (Burgsinn) haben die beiden autodidaktischen Schüler sogar eine Hobby-Visagistin bei den Foto-Shootings dabei. Die Frauen zeigen auch meist nicht zu knapp Farbe auf den Bildern. Zudem bringen die jungen Leute, die sich fotografieren lassen, ganze Berge von Kleidung mit, oft zu einem bestimmten Motto, Märchen beispielsweise. „Ob Junge oder Mädchen, kofferweise werden da Klamotten mitgeschleppt“, erzählen die Jungfotografen. Und: „Männer bringen mehr Klamotten mit“ hat Elisa beobachtet.
„Egal, ob Junge oder Mädchen, kofferweise werden da Klamotten mitgeschleppt.“
Silvana und Felix über ihre Fotoshootings
Rund 200 bis 250 Bilder machen Silvana und Felix in eineinhalb Stunden. Jeder drückt mal ab. Und hinterher wird der Natur am Computer mitunter noch etwas nachgeholfen. Bei professionellen Mode-Shootings sei das auch nicht anders, sagt Felix. Sie sollen aber weiterhin natürlich aussehen, findet Silvana.
Viele der Bilder haben einen speziellen Retro-Look und wirken – der Name „Schallplattenknistern“ ist Programm – wie aus einer Zeit, als Hippies über Wiesen hüpften. Manche bekommen am Computer noch extra Kratzer und Flecken, als wären sie schon alt – ähnlich wie etwa bei neuen Jeans, die man schon mit Löchern und ausgebleicht kaufen kann.
Silvana hat mit der Fotografiererei in der Mittelstufe angefangen. Zur Konfirmation bekam sie eine Spiegelreflexkamera. Felix hat es 2010 gepackt. Bei einem zweiwöchigen Irland-Aufenthalt, erzählt er, hätten viele junge Leute aus anderen Ländern eine eigene Spiegelreflexkamera dabei gehabt. Weil er auch eine wollte, musste sein Kommuniongeld dran glauben.
Da die beiden Kreativen sich gut verstehen – gemeinsame Schulzeit, Gitarrespielen, gleicher Musikgeschmack – zogen sie los und fotografierten sich gegenseitig. Irgendwann kam ihnen die Idee, ihre Bilder beim Internet-Netzwerk Facebook einzustellen – der Name „Schallplattenknistern“ sei ihnen beim Blick auf den Plattenspieler spontan gekommen.
Plattenspieler? „Wir lieben retro“, sagt Felix. Dass zwei junge Kreative am Werk sind, hat sich herumgesprochen. So wurden es immer mehr Leute, die sich vor die Linsen der beiden stellen wollten. Erst Freunde, dann Freunde von Freunden.
Felix hat auf eigene Kosten auch schon eine „Fashion-Strecke“ zum Thema „Dark Side of Life“ (die dunkle Seite des Lebens) gemacht: Er steckte Hobbymodels aus dem Bekanntenkreis in schwarze Kleidung und lichtete sie mit schwarz getönten Lippen und Augenbrauen ab. Dahin gehe der Trend, sagt der Modeinteressierte, der selbst die derzeitige Trendfrisur – oben wuschelig, über den Ohren kurz – trägt. Die dunklen Modebilder hat er an rund 20 Modemagazine geschickt – und ein amerikanisches hat tatsächlich angebissen und will sie im August veröffentlichen.
Wie soll es weitergehen bei den beiden? Welche Träume hat man heute mit 17? Silvana will auf jeden Fall studieren, „am liebsten was Kreatives mit Menschen“, eventuell Film und Regie. Das klingt nicht nach einer Zukunft im Sinngrund. Auch nicht, was Felix sich vorstellt: Er will Modefotograf werden und nach New York, mindestens nach Berlin. Aber er ist sich bewusst, dass das „richtig schwierig“ sei. Passfotos wolle er später jedenfalls nicht machen. Die Alternativen, die er sich im Moment vorstellen kann, sind allerdings deutlich weniger kreativ: Wirtschaft oder Zahnmedizin studieren.
Mittlerweile hat das Beispiel der kleinen „Fotoagentur“ von Silvana und Felix Schule gemacht: Weitere junge Fotografen aus dem Raum Gemünden haben nachgezogen und ihre Werke auf Facebook gestellt, erzählen die beiden.