Wenn sich Rolf Baron und Reinhold Weber über die Eisenbahn unterhalten, hat ein Außenstehender Mühe, dem Gespräch zu folgen. Fachbegriffe gehen den beiden Nichteisenbahnern so mühelos über die Lippen, als wären sie in der Eisenbahnerstadt Gemünden geboren, als wären sie selbst Lokführer gewesen, und natürlich kennen sie viele Details der Züge in Deutschland, in Europa, in der Welt bis hin zu den Raddurchmessern. Doch nicht nur über das Hobby verstehen sich die beiden, sondern sie eint jetzt auch der Besitz an „rollendem Material“: Rolf Baron hat dem Gemündener Museumsverein seine umfangreiche Modelleisenbahnsammlung vermacht!
Der 73-jährige Gemündener ist damit der zweite große private Gönner der Modelbauabteilung des Film-, Photo-, Ton-Museumsvereins, freut sich Reinhold Weber von der Modellbauabteilung des Museumsvereins. Der Berliner Bernd Hirning, der lange in Rieneck und zuletzt in Japan lebte und Anfang dieses Jahres nach schwerer Krankheit gestorben ist, hatte seine umfangreiche Modelleisenbahnsammlung (darunter 47 Lokomotiven) nach und nach dem Museumsverein geschickt. Rolf Barons Sammlung ist nicht weniger bedeutend.
„Mir war klar, ich habe keinen Nachfolger für die Sammlung. Da kam mir die Idee: Bevor das in Schrott kommt, mache ich eine Leihgabe“, erzählt Rolf Baron. Das war vor zwei Jahren: „Aber jetzt ist das eine Schenkung.“ Es handelt sich um über 30 Lokomotiven und „unendliche viele Waggons“. Dann schwärmt der 73-Jährige von seinen besonderen Stücken: „Der ,Rheingold‘ ist darunter, noch original verpackt; sogar zweimal, und beide mit Innenbeleuchtung. Dann eine Lok der Baureihe '52 (ab 1940) als Kondenstenderlok, das war eine reine Kriegslokomotive“. Sie gewann ihr verdampfendes Wasser durch Kondensation in einem speziellen angehängten Waggon zurück.
Nicht nur Technikbegeisterte faszinieren die Eisenbahn und ihre Geschichte, die von einer großen Modellbaugemeinde überall in der Welt lebendig gehalten wird. Noch sind Rolf Barons Schätze sicher verpackt – am Sonntag, 22. Mai, aber, dem Internationalen Tag des Museums, wollen die Gemündener Modellbauer die komplette Sammlung „Baron“ auf die Gleise setzen, um die Vielfalt und die Menge des „rollenden Materials“ zu zeigen.
Es wird auch für den Stifter selbst eine Premiere sein, denn auch er hat noch nie alle seine Stücke zugleich auf den Schienen gesehen. Dazu fehlte ihm schlicht der Platz. „Ich habe immer mal einen Teil laufen lassen, dass sie nicht verharzen.“ Seit 1987, seit Rolf Baron sich eine komplizierte, nie mehr auskurierte Sportverletzung zugezogen hatte, war es ihm auch nicht mehr möglich gewesen, eine große Modelleisenbahnanlage aufzubauen.
„Mir war klar, ich habe keinen Nachfolger für die Sammlung.“
Rolf Baron, Spender der Modelleisenbahnsammlung
Dennoch kaufte er sich noch 2014 zwei Lokomotiven. Einmal Hobbyeisenbahner, immer Hobbyeisenbahner! Die schönsten Stücke standen in einer in die Wand der Wohnung eingelassenen Vitrine.
Gefragt, wie er, der Zeitsoldat und spätere Beamte der Bundeswehrverwaltung, zu seinem Hobby gekommen ist, verweist der 73-Jährige auf seine Kindheit. Die Familie verschlug es 1945 nach dem Krieg aus Rolf Barons Geburtsstadt Brieg (heute Brzeg) in Schlesien nach Lichtenfels. 1948 bekam der Fünfjährige seine erste Eisenbahn, einen für die damaligen Verhältnisse wertvollen Federzug aus Metall, geschenkt – und verlor sie ein Jahr später, als das Haus der Familie abbrannte. 1970 schenkte dem 26-Jährigen seine damalige Frau dann die erste richtige Modellbahn der Spur H0. Die Sammelleidenschaft begann.
Als Frührentner kam Rolf Baron 1990 nach Gemünden. Freunde überredeten ihn, damit er eine Aufgabe habe und an die frische Luft komme, sich für den undankbarsten Beruf der Stadt Gemünden ausbilden zu lassen: Verkehrsüberwacher. Baron, der ohnehin Humor hat und immer einen Witz weiß, kann über seinen damaligen Spitznamen lächeln: „Knöllchen-Baron“.
Viereinhalb Jahre leistete er den schwierigen Dienst, über den er sagt: „Ich hatte einen großen Vorteil – ich kannte keinen.“ Mit Stolz setzt er hinzu: „Ich war nur ein einziges Mal vor Gericht.“ Natürlich wegen Beleidigung, denn beleidigt zu werden, ist sozusagen das Berufsrisiko der Verkehrsüberwacher.
Auf die Frage, ob es ihm nun leid tue, die über Jahrzehnte zusammengetragene Sammlung nicht mehr unter dem eigenen Dach zu wissen, zuckt der Spender mit der Schulter. In den Familien seiner zwei Töchter werde das Hobby nicht gepflegt. Beim Museumsverein, dem er und seine Frau Maria Gutknecht beide angehören, sind die gehegten Stücke in guten Händen. Aber Ja: Sich von ihnen zu trennen, „war ein schwerer Schritt“. Es gehe da selbstverständlich nicht um den materiellen Wert, sondern den ideellen.
Reinhold Weber hofft mit seinen Kollegen, die ununterbrochen in der Remise an Nachbauten des Gemündener Schienennetzes und der Altstadt vor der Kriegszerstörung arbeiten, auf eine Mitarbeit Rolf Barons: Körperlich müsse er sich nicht plagen, „Aufgaben gibt's genug“.
Zum Beispiel soll die ganze Sammlung „Baron“ von ihrer analogen Technik auf die neue digitale umgebaut werden. Was Reinhold Weber seinem Vereinskameraden hoch anrechnet und worüber er sich besonders freut: „Ein Gemündener gibt der Stadt, gibt den Gemündenern etwas, eine Schenkung, uneigennützig . . .“