Der gebürtige Wernfelder René Hofmann, 37, lebt in München und ist stellvertretender Sportchef bei der Süddeutschen Zeitung. Derzeit ist er als Berichterstatter bei den Olympischen Spielen in London. Hofmann war zwei Jahre lang freier Mitarbeiter der Main-Post.
Frage: Nervt Sie das große nationale Pathos der Briten?
René Hofmann: Zu sagen, das nervt einen, wäre ein bisschen vermessen. Das sind meine ersten Sommerspiele, meine dritten Olympischen Spiele insgesamt. Ich war in Turin und Vancouver. Alle Spiele haben ihren eigenen Charakter. In Vancouver war das eine große Party. Den Leuten in Turin waren die Spiele weitgehend egal. Hier merkt man schon, dass die Engländer die Spiele zu ihren Spielen machen wollen und sich diese Nation ein bisschen an den Spielen emporzieht.
Kommt einem das etwas fremd vor?
Ich war häufiger in Wimbledon gewesen und bei der Formel 1. Eigentlich hat die Sportberichterstattung hier einen internationalen Blick. Da spielt es keine Rolle, ob ein Engländer vorne dabei ist. Bei der Formel 1 sitzen freitags im Nieselregen 60 000 Menschen beim ersten Training. Wenn man jetzt erlebt, wie die BBC auf die britischen Athleten fixiert ist, und auch da hauptsächlich auf die Goldmedaillengewinner, dann ist das einigermaßen überraschend.
Sind die Briten sportbegeisterter als die Deutschen?
Hofmann: Sie sind anders sportbegeistert aus meiner Erfahrung. Ich habe den Eindruck, dass es in England Sportarten gibt, die einfach aus Tradition wahrgenommen werden, auch wenn es keine Erfolge gibt, Stichwort Motorsport, Stichwort Fußball natürlich, Stichwort Tennis, Rudern oder Bahnradfahren.
Und in Deutschland?
Hofmann: In Deutschland gibt es meiner Wahrnehmung nach immer schnell Wellen. Wenn man große Erfolge hat, wie im Biathlon, dann sind wir eine Biathlonnation, wenn Michael Schumacher in der Formel 1 gewinnt, dann sind wir eine Formel-1-Nation. Diese Ausschläge kommen mir immer sehr extrem vor. In Deutschland sind eher die Figuren im Mittelpunkt, hier eher der Sport als solches und die Tradition.
Wie viele olympische Wettbewerbe sehen Sie selbst?
Hofmann: In den letzten 24 Stunden habe ich Beachvolleyball, Tennis und Hockey gesehen. In der Regel sieht man morgens einen Wettkampf und abends einen.
Mit wie viel Mann ist die Süddeutsche Zeitung bei Olympia?
Hofmann: Die Zeitung hat sechs Leute und noch freie Mitarbeiter hier. Von den diesen sechs haben einige feste Sportarten, um die sie sich kümmern. Und dann gibt es noch so ein paar Wanderer zwischen den Welten, da gehöre ich dazu.
Machen Sie eher die Hintergrundberichte?
Hofmann: Meine Aufgabe ist ein bisschen der Blick von oben. In meinen Berichten ging es zum Beispiel um die Medien, wie die Briten die Spiele zu ihren machen wollen, oder um die Stimmung in der deutschen Mannschaft. Bei sechs Leuten muss auch einer koordinieren und schauen, wer wohin geht.
Schauen Sie sich auch Wettbewerbe zum privaten Vergnügen an?
Hofmann: Ich hatte mir am Freitagabend überlegt, dass ich tatsächlich keinen Wettbewerb hatte, zu dem ich aus privatem Interesse hingegangen bin. Zum Durchschnaufen braucht man auch mal Zeit, in der man ganz bewusst nicht Olympia guckt.
Wie erleben Sie Ihre ersten Olympischen Sommerspiele?
Hofmann: Das Schöne und Überraschende an diesen Spielen ist ja, dass jeder Wettbewerb seinen ganz eigenen Reiz hat. Ich war zum Beispiel vergangenen Freitag beim Schießen. Das klingt vielleicht erst einmal unspektakulär. Aber das wird hier so geschickt inszeniert und wegen dieser olympischen Stimmung, die bei den Freiwilligen, in den Wettkampfstätten und in der Musik, die dort eingespielt wird, zu spüren ist, muss man sagen, das hat was. Man ist einfach Teil der Wettbewerbe. Und das Publikum strömt tatsächlich in Scharen.
Gibt es eine Sportart, mit der Sie sich gar nicht auskennen? Muss man sich als Sportchef mit allen auskennen?
Hofmann: (lacht) Die große Kunst besteht bei Olympia ja darin, dass man sich sehr schnell überall hineinfinden kann.
Haben Sie Kontakt mit Sportlern? Trifft man sie im olympischen Dorf?
Hofmann: Das olympische Dorf ist ja abgeschottet. Dort kommt außer den Betreuern und Athleten niemand rein. Man begegnet den Sportlern nach den Wettkämpfen, man kann zum Training gehen und gelegentlich schauen sich Sportler andere Wettkämpfe an. Wenn man zum Hockey geht, sitzen da auch deutsche Tennisspieler. Man sieht sich und läuft sich über den Weg.
Gehen Sie mit denen auch mal ein Bier trinken?
Hofmann: Mit keinem der Sportler, die jetzt hier sind, würde ich ein Bier trinken gehen. Ich mache ja normalerweise fix Tennis, Motorsport und im Winter ein paar Sachen. Bei den Sportarten, die man regelmäßig betreut, hat man natürlich ein anderes Verhältnis zu den Sportlern.
Haben Sie eigentlich eine Vorgabe, wie viel sie täglich schreiben müssen?
Hofmann: Wir füllen von hier aus mit Sportgeschichten täglich vier, fünf Seiten. Da gibt es keine Vorgabe, wer wie viel schreiben muss. In der Regel hat man eine Geschichte tagsüber, und wenn man dann abends irgendwo ist, wo noch was passiert, dann könnte das eine zweite Geschichte geben. Daneben gibt's noch mehrere kleine Sachen. Wir sind auf jeden Fall nicht unterbeschäftigt.
Das kann ich mir denken.
Hofmann: Das ist schon eine Ausnahmesituation, drei Wochen lang mit Vor- und Nachberichterstattung. Wenn man sechs Stunden Schlaf in der Nacht bekommt, dann ist es eine gute Nacht.
Wie oft sind Sie eigentlich noch in Wernfeld?
Hofmann: In zwei Wochen bin ich dort. Ich komme zurzeit nur ein- bis zweimal im Jahr nach Wernfeld. Meine Frau und ich, wir haben eine Tochter bekommen, weswegen meine Eltern häufig bei uns waren. Weil ich relativ häufig sonntags arbeite, fehlt uns einfach diese Samstag-Sonntag-Gelegenheit. Und für nur einen Tag ist es dann einfach zu weit.
Und wie wird man stellvertretender Sportchef bei der Süddeutschen Zeitung?
Hofmann: Das ist eine gute Frage. Ich habe 1994 Abitur am Friedrich-List-Gymnasium gemacht, dann war ich bei der Bundeswehr. 1995 habe ich bei der Deutschen Journalistenschule in München begonnen, das war damals noch verzahnt mit einem Diplom-Journalistik-Studium an der Ludwig–Maximilians-Universität. Nebenher habe ich angefangen, bei der SZ im Sport mitzuarbeiten. 2000 war ein Platz in der Sportredaktion frei, und den habe ich bekommen. Ja, und dann hat sich das so ergeben. Da war mehr Zufall als Planung im Spiel.