Sticken per Hand ist nicht ihre Sache, gleichwohl verdient die Rieneckerin Ricarda Geßner ihr Geld mit Stickarbeiten. Das Besticken von T-Shirts, Jacken, Mützen und – Windeln (Sie haben richtig gelesen) übernehmen für in der kleinen Firma drei Industriestickmaschinen. Die 42-Jährige sagt, sie habe „Arbeit ohne Ende“. Die Kunden des Ein-Mann-drei-Maschinen-Betriebs sind vor allem Motorradclubs, aber auch Vereine, Unternehmen, Kommunen und Privatkunden.
Für den Campingplatz „Saaleinsel“ in Gemünden bestickt sie gerade einen Satz T-Shirts mit dem Logo Gemündens mit der Scherenburg und den drei bis vier Flüssen darunter sowie dem Schriftzug „Gemünden a. Main“. Sie spannt ein weinrotes T-Shirt in einen Rahmen, sodass die zu bestickende Fläche glatt ist, dann legt sie eine wasserlösliche Folie auf, die sich später beim Waschen auflösen wird, und – tatatatata – beginnen die Nadeln zu stechen, eine Farbe nach der anderen, während sich das Tischchen, auf dem das T-Shirt liegt, hin und her bewegt. Den Anfang macht in Gelb die Silhouette der Scherenburg. Bis zu 15 Farben auf einmal sind möglich, wobei sie noch nie etwas mit 15 Farben bestickt habe.
Seidentanga mit Motorradclub-Logo
Das „verrückteste Objekt“, das Ricarda Geßner bisher besticken sollte, war ein Seiden-Stringtanga. Auf dem bisschen dünnen Stoff wollte jemand das Logo eines Motorradclubs haben. Sie hatte Angst, dass der Tanga reißt, aber es hat funktioniert. Ein BH mit dem Logo der Rockfreunde Rieneck war auch schon dabei, genauso wie Handtücher für die Fußballer von Darmstadt 98.
Dass Maschinen für die Rieneckerin die Arbeit übernehmen, heißt nicht, dass sie dabei nur Däumchen dreht. Denn die Maschinen leisten nur einen Teil und sind auf oft stundenlange Vorarbeit angewiesen. Geßner muss die Vorlagen von Kunden am Computer so nachmalen, dass die Maschinen diese nachsticken können. Für eine mehrstielige Rose, die wie eine Tätowierung aussieht, brauche sie geschätzt fünf bis sechs Stunden. Einmal saß die 42-Jährige acht Stunden am Rückenwappen eines Motorradclubs. Regelmäßig sitzt sie noch abends vor dem Fernseher und baut ihre Stickdateien.
Eine Freundin hatte die Firmenidee
Aus einer Laune heraus hat alles angefangen. Eine Freundin aus dem Hessischen hatte eine Stickmaschine und erzählte, dass sie diese verkaufen und eine andere kaufen wolle. Spontan sagte Ricarda Geßner: „Ich nehm' das Ding.“ Die Freundin verkaufte dann doch nicht, und es dauerte noch über ein Jahr, bis die erste Maschine in Rieneck stand, aber die Idee war geboren und Ehemann Michael gab die Unterstützung zur Verwirklichung.
Als der Businessplan geschrieben und die erste Maschine geliefert war, wollte Ricarda Geßner nach einer Woche schon wieder hinschmeißen, weil die Maschine nicht so wollte wie sie. „Ich hab sie dann irgendwann in den Griff gekriegt“, sagt sie, und: „Es ist eine Frage von Geduld und Übung.“
Die 42-Jährige brauchte größere Räume
Seit April 2010 führt Geßner, die ursprünglich aus Oechsen in der thüringischen Rhön kommt, jetzt ihre Stickerei „Stickarda Design“. Die ersten beiden Jahre hatte sie die Stickmaschine zu Hause stehen, dann zog sie in Räume in der Hauptstraße, in denen zuvor eine Fahrschule war. Doch dort wurde es irgendwann zu eng. „Ich konnte mich nicht mehr drehen.“ Im Mai ist sie nun nach fünf Jahren von der Hauptstraße ein Stück weiter in die Badgasse gezogen.
Zu Motorradclubs als Kunden kam die 42-Jährige, die selbst ein Motorrad hatte und Mitglied eines Clubs war, über ihren Mann. Der spielt mit „Dynamite“ regelmäßig auf Motorradtreffen. Da Mitglieder solcher Clubs bekanntlich gern ihr Wappen auf Aufnähern, Jacken und Pullovern zeigen, liegen sie als Zielgruppe für eine Stickerei nahe. Sogar Motorradclubs aus Norwegen und Schweden ließen schon in Rieneck sticken. Werbung mache sie wenig, viel laufe über Mundpropaganda, sagt Geßner.
Stand mit Bus und Stickmaschine
Wochenends kommt sie auch mit Bus und Stickmaschine und ihrem Stand auf Motorradclubtreffen. Den stellt sie aber auch bei anderen Gelegenheiten auf, etwa beim Treffen des Kleintierzüchtervereins ihres Vaters.
Privatleute lassen bei ihr gerne Dinge für Kinder besticken. „Ich würde gern einen Rucksack nähen und hätte gern ihren Namen drauf, machst du das?“, fragt eine junge Mutter, die mit ihrer vielleicht zweijährigen Tochter in den Laden kommt. Macht sie. Und sie bestickt auch Dinge wie Plastikwindeln mit dem Namen und den Geburtsdaten von Kindern oder Kissen mit einem Faden, der im Dunkeln leuchtet. Auch Kuscheltiere, bei denen sich die Füllung herausnehmen lässt. „Alles, was sich besticken lässt.“
Sticken beim Adventsmarkt
Wer selbst erleben will, wie das Sticken mit Maschine funktioniert, kann das beim ersten Adventsbasar in der Badgasse, den sie mit ihrer Freundin vom „Krutscheck“ und den Ehemännern am 25. November veranstaltet. Die Einnahmen aus dem Verkauf von Essen und Getränken wollen sie an die Mittagsbetreuung der Grundschule Rieneck spenden.