Ist Binsfeld ein frühes, mittelalterliches "Skaterzentrum"? Ein Fund an der Kurve zwischen Binsfeld und Halsheim könnte diese Spekulation befeuern: Bei den Grabungen im Zuge der Umbaumaßnahmen an der Bundesstraße 26 wurde unter anderem ein entsprechend präparierter Knochen gefunden, den man sich im 10. bis 11. Jahrhundert unter die Schuhe gebunden hatte, um damit sicherer übers Eis laufen zu können.
Grabungsleiter Michael Seiler und seine Frau Ingrid Tamerl-Seiler zeigten gemeinsam mit Dr. Stefanie Berg vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege im Rahmen einer Pressekonferenz die Ergebnisse er knapp neunmonatigen Grabungsarbeiten.

Im nächsten Jahr wird nach Auskunft der Vertreter des Straßenbauamts die Verlegung der Bundesstraße und der Neubau der Wernbrücke erfolgen. Die stationären Funde werden dann wohl wieder unter dem Erdreich verschwinden. Ob der Keller erhalten bleiben kann, ist noch nicht geklärt. Der Umbau soll bis mindestens 2022 dauern.

Einst lagen Dorf und Kirche an anderer Stelle
Dass in dem geplanten Bauabschnitt ein Bodendenkmal liegt, ist in Binsfeld hinlänglich bekannt. Schon der verstorbene Dorfchronist Albert Vogt berichtete 1977 in seiner Schrift über "650 Jahre Pfarrei Binsfeld" von der vergessenen Siedlung, besonders aber von der wenig bekannten Kirche dort. Demnach lag diese weit außerhalb des Dorfes jenseits der Wern und wurde von den Gläubigen aus Binsfeld und Halsheim gleichermaßen genutzt.

Während aber Vogt von einem ersten kleinen aus Holz erbauten Gebäude sprach, weiß heute der Grabungsleiter Seiler ganz andere Erkenntnisse zu präsentieren. Die dortige Kirche bei der Einmündung der Verbindungsstraße nach Heßlar muss durchaus von einiger Bedeutung gewesen sein. Schließlich wurden im Umgriff große Dach- und Bodenziegel gefunden, außerdem Reste von Flachglas und Bleiruten, die auf eingefasste Kirchenfenster schließen lassen. Das alles passe zu einem durchaus bedeutenden Bauwerk.
Hinweise auf Amtsleute und Ministeriale
Ein weiteres Indiz ist ein umfassender Steinkeller, der jetzt südlich der Bundesstraße liegt und wohl der Kirche zugeordnet werden kann. Er stammt aber eher aus dem Spätmittelalter. Die Reste eines Reitersporns und kunstvoll bearbeitete Horngeräte lassen auch darauf schließen, dass hier gelegentlich Amtsleute und Ministeriale verkehrten, sagt der Archäologe Seiler. Insgesamt war die alte Siedlung im frühen Mittelalter vom 7. bis zum 11. Jahrhundert größer als ursprünglich angenommen. Wenige Meter neben dem ausgegrabenen Keller wurden auch die Überreste von Pfostengruben und mittelalterlichen Grubenhäusern gefunden.

Um das Jahr 1325 wurde dann Binsfeld per bischöflichem Erlass eine eigenständige Pfarrei. Dann aber setzte wohl der Niedergang der alten Siedlung ein. Im Zuge der Klimakatastrophe in der sogenannten "Kleinen Eiszeit" Mitte des 14. Jahrhunderts ging die Bevölkerungszahl um gut ein Drittel zurück, berichtete Dr. Stefanie Berg. Wahrscheinlich hat man in dieser Zeit die Siedlung zum heutige Binsfeld hin verlegt. "Alt-Binsfeld" wurde zur Wüstung. Die Kirche wurde 1719 abgetragen und innerhalb des Dorfes neu aufgebaut.

Über 400 einzelne Funde haben die Archäologen in dem Dreivierteljahr ihrer Arbeit an der Bundesstraße geborgen. Neben zahlreichen Keramikscherben gibt es auch eine eindrucksvolle Kugelvase aus der Merowinger Zeit, Fragmente von weiteren gebrannten Tongefäßen und eine ganze Reihe von seltenen, luftgetrockneten Gewichten für Webstühle. Und natürlich den eingangs erwähnten mittelalterlichen Schlittschuh aus einem Tierknochen. Skurril auch der Überrest eines "Glättsteins" aus Glasmaterial, der wohl als frühes Bügeleisen betrachtet werden kann. Ob der allerdings kalt oder erwärmt benutzt wurde, konnte der Grabungsleiter Seiler nicht entscheiden.

Pfostenlöcher und Grubenhäuser
Um eine Zerstörung der alten Siedlung durch die Verlegung der Bundesstraße 26 zu vermeiden, hatte das Staatliche Bauamt Würzburg eine Expertenfirma mit der archäologischen Grabung beauftragt. Vorab ausgeführte Messungen mit geophysikalischer Prospektion des Landesamtes für Denkmalpflege ergaben, dass sich im Boden zahlreiche Pfostengruben und Grubenhäuser befanden. Diese Funde sind typisch für mittelalterliche und prähistorische Siedlungen, auch aus der Keltenzeit.

Dabei entdeckten die Archäologen Funde aus dem Mittelalter und der Keltenzeit. Gefunden wurden auch unterschiedliche Häusertypen wie mittelalterliche Grubenhäuser, die ein gutes Stück in den Boden eingegraben waren und dadurch ein feuchtes Klima bekamen, das für verschiedene Handwerkstechniken von Vorteil war. Vor allem für die Verarbeitung von Leinen und Flachs und das Weben von Stoffen waren diese Bedingungen ideal. Zahlreiche Handwerkszeuge aus dieser Zeit zur Leder- und Flachsbearbeitung sind erhalten geblieben. Aber auch Töpfe und Schmuck haben die Archäologen entdeckt. Insgesamt ein spannender Einblick in das Leben der Menschen damals.
Was jetzt im Weiteren mit den geborgenen Funden geschieht, ist noch nicht endgültig geklärt. Sie werden zunächst in das Archiv des Landesamts für Denkmalpflege gebracht und womöglich mit Funden aus den gleichzeitig stattfindenden Grabungen östlich von Halsheim und den bereits vorgestellten vom Verkehrskreisel in Arnstein in einer gemeinsamen Ausstellung zusammengefasst.
