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KARLSTADT: Über den Wolken am Saupurzel

KARLSTADT

Über den Wolken am Saupurzel

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    Enorme Beschleunigung von Null auf Hundert in drei Sekunden.
    Enorme Beschleunigung von Null auf Hundert in drei Sekunden.

    Acht Tage lang im Segelflugzeug. Die Freiheit der Lüfte genießen und vor allem Lust auf mehr bekommen. So viel Lust, dass man unbedingt weitermachen will beim Luftsport-Club auf dem Karlstadter Saupurzel und womöglich selbst den Pilotenschein anstrebt. Für den Initiator Florian Zaschka war der Versuch der ersten Piloten-Schnupperwoche ein Erfolg.

    Der 14-jährige Lars aus Aschfeld hat zwar noch etwas weiche Knie, doch die Augen strahlen. „Mensch, war das geil!“, sind seine ersten Worte und im Klang seiner Stimme schwingt schon die ganze Faszination des Fliegens mit. Für Lars und den ein Jahr jüngeren Karlstadter Niklas sowie Merlin war es der erste Flug, jeweils mit dem jungen Lehrer Zaschka. Der zeigte seinen Schnupperschülern gleich beim Jungfernflug einiges aus dem Repertoire eines Piloten - und natürlich Elemente des Kunstflugs.

    Kribbeln im Bauch

    Niklas erinnert sich mit behaglichem Gruseln an das Kribbeln im Bauch, als das sich Segelflugzeug nach einem Steilflug für wenige Augenblicke in völliger Schwerelosigkeit befand: „Plötzlich schwebte meine Kamera vor der Brust, und der Dreck vom Boden stieg von allein in die Höhe“, schwärmt der Teenager.

    Natürlich sollten die drei Schnupperflieger nicht nur Spaß haben. Der 23-jährige Florian hatte die vorösterliche Woche durchaus mit Arbeit und intensiven Unterricht in Theorie und Praxis vollgepackt. Da waren die Fragen der Aerodynamik. Warum fliegt ein Flugzeug, welche Bedeutung haben die unterschiedlichen Wölbungen der Flügelunter- und oberseite? Wie und wo finde ich Aufwinde und die richtige Thermik? Dazu kommt die „Dritte Dimension“, die schließlich das Fliegen vom Auto fahren unterscheidet, weil es ja neben rechts und links auch noch oben und unten gibt.

    Ausgerüstet mit Fallschirm

    Im Segler selbst sitzt man ausgerüstet mit Fallschirm und eingepackt wie in einer Schuhschachtel. An Bord gibt es eine skurrile Mischung aus Technik und Einfachheit: Neben dem Funkgerät sowie den Messinstrumenten für Geschwindigkeit und Höhe oder dem Kompass findet man auch einfache Pedale wie beim Auto und den wohlbekannten Steuerknüppel.

    Mit Florian Zaschka über Karlstadt.
    Mit Florian Zaschka über Karlstadt. Foto: Fotos: Günter Roth

    Eine Anzeige aber überrascht den Laien sehr: An der Außenseite der Kanzel klebt ein einfacher roter Wollfaden. Der wurde nicht bei der letzten Reinigung übersehen, er dient der Kontrolle der Fluglage. So kann der Pilot durch erkennen, ob er aerodynamisch günstig fliegt oder ob er korrigieren muss.

    Der erste Start ist für die jungen Schnupperer schon für sich alleine ein Erlebnis. Das Segelflugzeug hängt an einem fast 900 Meter langen Seil. Das strafft sich nach der Funkdurchsage unvermittelt, und die 300 PS starke Motorwinde bringt das 360 Kilogramm schwere Fluggerät mit unglaublicher Beschleunigung in Fahrt: von Null auf Hundert in drei Sekunden, das schafft kaum ein Motorrad. In weniger als einer halben Minute ist der Segler in 300 Metern Höhe kaum noch zu sehen, das Seil klinkt aus, und das Flugvergnügen kann beginnen. Neben dem Windenstart gibt es noch – abhängig von den aktuellen Windrichtungen – den mit einem motorgetriebenen Schleppflugzeug.

    Acht Tage lang konnten die drei jungen Fluglehrlinge neben der theoretischen Grundausbildung mehrere Starts täglich miterleben und dabei unter der Anleitung der Fluglehrer Zaschka und Jannik Lamprecht teilweise selbst an den Pedalen und am Ruder aktiv werden. Sie bekamen nach ein Gespür für das einzigartige Zusammenspiel von Wind und Strömung, von Himmel und Erde sowie von Schwerelosigkeit und Gravitation.

    Rückblick mit Film

    Sorgfältige Startvorbereitungen sind unabdingbar.
    Sorgfältige Startvorbereitungen sind unabdingbar.

    Am Ende der Schnupperwoche blickten alle Beteiligten im Beisein der Eltern und vieler Vereinsmitglieder bei einem gemeinsamen Abend auf das Erlernte und Erlebte zurück. Jannik Lamprecht hatte zu diesem Anlass eigens einen kurzen Film geschnitten.

    Die Fluglehrer Florian und Jannik sind natürlich noch immer mit dem Flieger-Virus infiziert, das der Liedermacher Reinhard Mey in seinem Lied „Über den Wolken“ so perfekt beschreibt, doch sie sehen hinter der Lust am Fliegen auch den wichtigen Aspekt der persönlichen Entwicklung eines Fliegers. „Jeder Pilot muss auf sich und seine Intuition vertrauen, aber auch mit klarem Kopf unterwegs sein“, sagt Florian. Er muss lernen, sich selbst richtig einzuschätzen. Und er muss in hohem Maße teamfähig sein.

    Zwar ist er in der Kanzel scheinbar auf sich alleine gestellt, doch in Wirklichkeit ist bei den Fliegern auf dem Saupurzel ein großer Zusammenhalt gefragt. „Um einen Piloten in die Luft zu bekommen, sind fünf Helfer nötig“, so der Fliegerveteran Helmut Kron. Es gilt die Seile zu holen, die Winde zu fahren und sie zu bedienen, die Flugzeuge zu warten - und „immer gemeinsam ein Auge aufeinander zu haben“.

    Die Piloten-Schnupperer Niklas, Lars und Merlin wollen nach dieser Woche in jedem Fall weitermachen und häufiger am Saupurzel vorbeischauen. Ganz offensichtlich haben auch sie jetzt mit dem Flieger-Virus angesteckt.

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