Als das Künstlerehepaar Christo und Jeanne-Claude vor 17 Jahren, genauer vom 24. Juni bis zum 7. Juli 1995, den Berliner Reichstag verhüllte, ging ein Raunen durchs ganze Land. Verschleiert mit langen Stoffbahnen zeigte sich der Sitz des Deutschen Bundestages.
Fast schon ähnlich spektakulär muten derzeit zwei Hochspannungsmasten auf der Tiefenthaler Höhe an. Grün verschleiert ragen sie aus dem Boden, gut sichtbar für Spaziergänger, Radler und Autofahrer auf der B 8. Was auf den ersten Blick ebenfalls ein Werk Christos – oder das eines Nachahmers – sein könnte, ist eine reine Routinemaßnahme des Stromnetzbetreibers Tennet, der für Hochspannungsleitungen in unserem Raum zuständig ist.
„1949 wurden diese Strommasten erbaut, etwa alle 20 Jahre müssen die Drahtgestelle mit neuem Rostschutz versehen werden“, sagt Markus Lieberknecht, Pressesprecher der Stromfirma. Zu diesem Zweck werden die Drahtriesen verhüllt. Sie sind ununterbrochen der Witterung ausgesetzt, das macht der Lack nicht länger als 20 Jahre mit.
Normalerweise wird nur neuer Korrosionsschutz, sprich Rostschutz, aufgetragen, diesmal besteht aber mehr Handlungsbedarf. Der Lack muss komplett entfernt werden, an seine Stelle kommt eine neue und bessere Lackschicht. Mit einer Druckluftpistole werden die Farbschichten Stück für Stück abgesplittert, erst dann kann der neue Anstrich drauf.
Warum das Ganze künstlerisch verhüllt ist? „Wir wollen natürlich, dass die Umwelt absolut keinen Schaden nimmt“, so Lieberknecht, „deswegen werden die Masten verpackt, damit der Dreck, der bei den Arbeiten entsteht, sich nicht über dem umliegenden Gebiet verteilen kann und nach der Fertigstellung fachmännisch und gründlich entfernt werden kann.“
Arbeiten sind wetterabhängig
Die kompletten Hochspannungsmasten von Ludersheim bei Nürnberg bis nach Aschaffenburg sollen bis Ende August mit neuem Rostschutz versehen werden – das sind knapp 200 Kilometer. Wie lange die grüne Verpackung um die Masten auf der Tiefenthaler Höhe noch zu sehen ist, das kann Lieberknecht nicht sagen. Denn: „Die Sache ist extrem wetterabhängig. Die Masten werden zwar verpackt, wenn es aber zu stark regnet, können sie trotzdem nicht gestrichen werden.“ Sonst würde die Farbe nicht schnell genug trocknen.
Strom muss abgestellt werden
Es ist also ein Spiel auf Zeit, bis Ende August sollten die Masten fertig sein. Denn – und auch das ist ein wichtiger Punkt – werden die Tage ab dem Frühherbst wieder kürzer und sinken dann die Temperaturen, benötigen die Menschen auch wieder mehr Strom. Und der muss für die Dauer der Arbeiten immer wieder abgestellt werden, sonst wäre das Risiko für die Arbeiter zu groß.
Wie lange die grün verhangenen Riesen also noch über Erlenbach thronen, kann momentan noch niemand sagen. Einen Blick wert sind sie auf jeden Fall. Übrigens: Christo plant – nach dem Tod seiner Gattin 2009 – in naher Zukunft einen Fluss in Colorado, USA, zu überspannen und Ölfässer in Ägypten zu verkleiden. Der Weg zur Tiefenthaler Höhe ist definitiv kürzer.