„Ein Gemeindearchiv ist ein wertvoller Schatz – wenn es geordnet ist“, erklärt Leonhard Scherg und blickt sich wohlwollend um im Archiv der Gemeinde Roden, das in in einem Raum der ehemaligen Lehrerwohnung im ersten Stock des Rathauses untergebracht ist. Zwei große Regale stehen voll mit dicken Ordnern und Büchern, säuberlich nach Jahreszahlen aufgereiht sowie grauen Archivboxen, in denen schon ein Teil der gemeindlichen Unterlagen abgelegt ist.
Dies verdankt die Gemeinde Birgit Leibl, Claudia Riedmann, Claudia Schick und Simone Schreck. Die vier Frauen meldeten sich im Frühjahr 2009 auf den „Hilferuf“ des Gemeinderats im Mitteilungsblatt, sich der Ordnung des Archivs anzunehmen. Mit so vielen Freiwilligen hätte Bürgermeister Otto Dümig niemals gerechnet, im Gegenteil: „Wir hatten nicht viel Hoffnung, dass sich überhaupt jemand meldet für diese Arbeit. Gleich vier Frauen – das ist sensationell!“
Die Arbeit ist zeitaufwendig, staubig, oft trocken, aber selten langweilig berichten Leibl, Riedmann und Schreck übereinstimmend. „Ordnung ist kein Hexenwerk, wenn man keine Angst vor Schmutz hat und mit einer gewissen Liebe und Disziplin an die Sache geht“, sagt der promovierte Historiker und Marktheidenfelder Altbürgermeister Scherg.
Als Kreisarchivpfleger für Main-Spessart steht er den vier Frauen beratend zur Seite und lobt ihre Arbeit. Erfreut stellt er fest, dass die „Damen meine Anweisungen befolgt“ hätten.
„Wir hatten nicht viel Hoffnung, dass sich überhaupt jemand meldet für diese Arbeit.“
Otto Dümig Bürgermeister von Roden
Schergs Rat und damit die Grundlage für die Ordnung in einem Gemeindearchiv ist der so genannte Einheitsaktenplan, nach dessen Vorgaben die gemeindlichen Dokumente sortiert werden. Er orientiert sich an den Positionen des Verwaltungshaushaltsplans.
„Wenn man anfängt, ein Archiv zu ordnen, gilt es zuerst einmal, Masse wegzuschaffen“, erklärt Scherg. Eine Frontladerschaufel voll mit altem Papier, Akten und Büchern haben die Frauen bereits „geschafft“. Rund eine halbe Tonne, schätzt Bürgermeister Dümig, der alle Unterlagen, die die vier Frauen vorsortieren, kontrolliert und bestimmt, was weg kann und was bleiben muss. „Es ist gut, dass wir ihn haben, denn er kennt sich aus und kann uns immer wieder sagen, was wichtig ist und was nicht“, sagt Leibl. Inzwischen brauchen ihn die vier aber nicht mehr so oft wie zu Anfang und auch Altbürgermeister Scherg kommt nur noch nach Roden, „wenn man mich haben will“. Er grinst und lobt: „Hier läuft alles prima.“
„In diesen Unterlagen steckt eine ganze Menge Geschichte.“
Leonhard Scherg Kreisarchivpfleger
Die ältesten Unterlagen der Gemeinde Roden datieren aus dem Jahr 1780 und reichen bis zur Eingliederung in die Verwaltungsgemeinschaft Marktheidenfeld im Jahr 1962. Die ältesten Dokumente Rodens sind Bücher von Grundverzeichnissen, alte Steuerbücher, Abgabe- und Forstbücher, die teilweise noch in Deutscher Schrift abgefasst sind. „In diesen Unterlagen steckt eine ganze Menge Geschichte“, sagt Scherg.
Wie viele Stunden sie bereits sortiert und geordnet haben, wissen die vier Frauen nicht. „Wir haben nicht mitgezählt“, sagt Riedmann. Jetzt im Winter sortieren sie weniger, denn es ist ziemlich kalt in dem rund 20 Quadratmeter großen Raum. „Wir sind hierhergezogen und mich interessiert, was hier früher war“, erklärt Leibl ihren Beweggrund für die Archivarbeit. Auch die anderen stöbern gern in der Geschichte und den Geschichten aus dem Ort.
„Wir haben einen alten Prospekt aus den 60er Jahren gefunden, in dem auf mehreren Seiten erklärt wird, wie man einen Ofen richtig anzündet“, schmunzelt Simone Schreck. „Und einen alten Quellekatalog“, ergänzt Claudia Riedmann. Viele Schätze verbergen sich noch unter den großen Stapeln, die auf alten Schulstühlen, Tischen und Schreibtischen lagern und noch darauf warten, gesichtet, geordnet und abgelegt zu werden. „Ich denke, wir haben hier noch einige Jahre gut zu tun“, vermutet Leibl.
„Es ist gut, wenn sich diese Arbeit mehrere Freiwillige teilen, denn eine alleine würde sicher schnell die Lust daran verlieren“, sagt Scherg aus Erfahrung. „Außerdem ist es von Vorteil, wenn ein Ortsfremder sortiert, denn der liest sich nicht so fest.“ Am Ende des Sortierens und Archivierens steht ein Verzeichnis, in dem man auf einen Blick alle nötigen Unterlagen finden kann. Bis dahin wird aber in Roden noch etwas Zeit vergehen. „Wir werden hier nicht unter Druck gesetzt“, erklären die Frauen. „Aber wir sind auch froh, wenn wir alles sortiert und aufgeräumt haben.“