Vordergründig sitzt an diesem Donnerstag nur ein 64-Jähriger, der sein Arbeitslosengeld mit nicht ganz legalen Geschäften aufbessern wollte, vor dem Amtsgericht Gemünden. Doch der Mann aus Lohr war möglicherweise nur ein Handlanger bei einem europaweiten Betrug, mit dem andere Millionen machten.
Reizendes Angebot: Auto für wenig Geld
Im März 2017 hatte ein Anzeigenblatt mit besonders günstigen Konditionen beim Autokauf geworben. Ein Interessent traf sich darauf hin mit dem 64-Jährigen, angeblich Mitarbeiter der Essener Firma Dexcar, in Karlstadt. Es ging um einen Kleinwagen, für den der Käufer zunächst nur 547 Euro zahlen sollte. Im Gegenzug sollte er nach gewisser Wartezeit ein Auto samt Steuer und gezahlter Versicherung bekommen und sogar noch Tankgutscheine erhalten.
Auch ein weiterer Unterfranke, der gleich drei Verträge abschloss und 3600 Euro anzahlte, sah nie ein Auto. So zitiert Tobias Knahn, Sprecher der Würzburger Staatsanwaltschaft, aus der Anklageschrift gegen den Mann aus Lohr. Der Verkäufer habe damals vom Jobcenter Sozialleistungen als Arbeitsloser bezogen und seine Einkünfte verschwiegen.
Kleiner Beschiss, großer Betrug?
Doch hinter dem vermeintlich kleinen Fall von Betrug beim Arbeitslosengeld 2 steckt möglicherweise ein weit größerer Fall, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft: Denn nicht nur im Landkreis Main-Spessart, sondern europaweit interessierte Autokäufer das Angebot von Dexcar.
"Zahlst du noch oder fährst du schon?" - so fragte die Essener Firma an ihren Messeständen. Ihr Angebot klingt nach einem echten Schnäppchen: einmal zwischen 547 und 1950 Euro zahlen und nach zwei Jahren Wartezeit erhält man ein Auto, das man für zwei Jahre kostenlos fahren darf – inklusive Wartung, Steuer und Versicherung.
Mengenrabatt? Mercedes dementiert
Die günstigen Konditionen erklärt Dexcar unter anderem dadurch, dass man große Mengen an Autos direkt von den Herstellern beziehe und den Preisvorteil an den Kunden weitergebe. Doch als im April durch Berichte von Plusminus und Spiegel Zweifel am seriösen Geschäftsgebaren aufkamen, dementierte beispielsweise Mercedes energisch: Man habe nur wenige Fahrzeuge verkauft, zum normalen Preis. Wie kann Dexcar dann ein so günstiges Angebot machen?
Verbraucherschützer vermuten dahinter ein Schneeballsystem. Tatsächlich wirbt Dexcar dafür, dass alte Kunden immer neue anwerben sollen. Dadurch könne man die Wartezeit auf sein Auto verkürzen, heißt es. Seit Frühjahr lastet auf dem Unternehmen der Verdacht des Betruges im großen Stil. Die Staatsanwaltschaft Bochum bestätigt Ermittlungen gegen die Verantwortlichen sowie einen externen Vermittler. Das Unternehmen selbst bestritt die Ermittlungen zunächst, räumte sie dann ein. Alle Vorwürfe indes weist es aber zurück.
Zahlreiche Kunden sollen auch zwei Jahre nach Vertragsschluss vergeblich auf ihren Wagen warten. Laut WDR gab ein früherer Dexcar-Vermittler in einer Strafanzeige gegen Firmenverantwortliche an, es seien 40 000 Autos bestellt, aber nur 500 ausgeliefert worden.
Ermittlungen in Italien und Österreich
Auch in Österreich, Italien und Frankreich warnen Verbraucherschützer inzwischen. In Italien sollen 22 000 Kunden mehr als zehn Millionen Euro an Dexcar gezahlt haben, doch nur 200 Autos seien ausgeliefert worden. Das Unternehmen aus Essen soll in Frankreich, Italien, Österreich, Spanien, den Niederlanden und Rumänien aktiv sein.
In Gemünden steht einstweilen nur der Verkäufer vor Gericht. Zwar gab es auch Ermittlungen gegen einen führenden Mitarbeiter des Unternehmens Dexcar. Sie wurden aber zum Sammelverfahren der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte nach Bochum abgegeben, so der Sprecher der Würzburger Staatsanwaltschaft.