„Steine können uns viel erzählen.“ Mit diesen Worten hat der luxemburgische Bauforscher John Zimmer vor etwas über zwei Jahren seine Arbeiten zur Geschichte der Homburg begonnen. Unterstützt von seiner Ehefrau Marie-Lou hat der jetzt 75-Jährige jeden Stein der Burganlage unter die Lupe genommen. Was ihm die Steine „erzählt“ haben, hat John Zimmer den Mitgliedern des Homburg- und Denkmalschutzvereins jetzt vorgetragen.
„Einige sehr spannende Dinge“, versprach John Zimmer den etwas mehr als 30 Zuhörern im Sängerheim Sachsenheim zu Beginn seines Vortrags. Spannend bleibt auch die Frage: Wie alt ist die Homburg wirklich? „Das Jahr 1008 als Ursprungsjahr lässt sich nicht belegen“, so der Burgenfachmann. „Vermutlich ist die Burganlage jünger.“ Um wie viele Jahre jünger die Homburg ist, könnten Ausgraben an bestimmten Stellen belegen. „Das ist aber eine Aufgabe für Archäologen“, da sich viele aussagekräftige Zeitzeugen aus Stein unter der jetzigen Oberfläche befinden. „Es ist alles sehr schön gegliedert. Durch Ausgrabungen könnte man sehr viel Licht in das Leben der Burg bringen.“
Messungen per Laser
Um die Forschung zu Alter, Bauweise und dem Aussehen der Burganlage in den verschiedenen Epochen voranzutreiben, hat Zimmer eine „Form- und steingerechte Bauaufnahme“ der Ruine vorgenommen. Eine Woche lang waren John und Marie-Lou Zimmer damit beschäftigt, alle Mauern, Wände, Fenster und Gesimse mit einem 3D-Laser zu vermessen, um „steingerechte Bilder“ zu bekommen. Bis zu 10000 Messpunkte pro Sekunde mit einer Genauigkeit von einem bis fünf Millimeter ergaben ein fotogenaues Bild.
„Einige Architekturelemente sind recht undeutlich“, sagte Zimmer. Die Homburg wirft noch eine Reihe von Fragen auf. „Wo ist der Pallas gewesen?“, „Wo der Küchen- und wo der Wohnbereich der Familie?“ und „Wo war die Kirche oder Kapelle?“. Die jetzt noch gut sichtbare ehemalige Kapelle in der Vorburg wurde wohl erst viel später errichtet. Es müsse aber zuvor auch eine solche Einrichtung in der Hauptburg gegeben haben: „Das Weltliche und das Kirchliche haben stets zusammen gehört.”
„Ich kenne mittlerweile jeden Stein an der Homburg“, versicherte John Zimmer in seinem Vortrag. Und niemand zweifelte an dieser Aussage, denn eine Vielzahl von Zeichnungen, die begleitend ausgestellt waren, bestätigten seine Worte. Beeindruckend die dreidimensionalen Bilder der Hauptburg, die der Forscher präsentierte. Und auch die vielen Details, die auf mehrere Umbauten an dem Gebäude schließen lassen. So lassen die Aufnahmen hinter einer Schießscharte Doppelfenster mit romanischen Bögen aus Buntsandstein vermuten. Solche 3D-Aufnahmen sollen noch von der Vorburg erstellt werden.
Zwei Disziplinen
„Die zwei akademischen Disziplinen – Archäologie und Bauarchäologie (Bauforschung) gehören unwiderruflich zusammen“, betonte John Zimmer auf die Frage, wie es weitergehen könnte. „Für die relative und die absolute Chronologie eines Baukörpers sind sowohl die Ergebnisse der Grabungen zusammen mit naturwissenschaftlichen Ergebnissen als auch die Befunde am aufgehenden Mauerwerk heranzuziehen“. „Jetzt müssen die Archäologen ran“, pflichtete Dr. Reinhard Friedrich, der Institutsleiter des Europäischen Burgeninstituts, Zimmer bei. Dazu sollen Fachleute eingeladen werden, die das weitere Vorgehen beraten.
Karsbachs Bürgermeister Martin Göbel, zugleich Zweiter Vorsitzender des Homburg- und Denkmalschutzvereins, betonte, dass eine vollständige Rekonstruktion der Burg mit Wiederaufbau nicht das Ziel sein kann. Auch Reinhard Friedrich warnte davor. Er verwies darauf, dass beispielsweise das Rheintal einen großen Teil seiner Romantik durch seine vielen Burgruinen erhält. „Auch die Homburg ist eine ganz tolle Ruine mit viel Romantik“, so Friedrich. Einer virtuellen Rekonstruktion steht der Institutsleiter allerdings positiv gegenüber.
Weiteres Vorgehen
Bei den weiteren Forschungsarbeiten muss sorgsam vorgegangen werden. Die Hauptburg befindet sich im Besitz der Gemeinde Gössenheim während die Vorburg zur Gemeinde Karsbach gehört. Dort befinden sich historische Gewölbekeller, die teilweise mit Bauschutt verfüllt und überdeckt sind. Bei unsachgemäßem Vorgehen droht ein Einsturz.
Mit den von Zimmer vorgestellten Planunterlagen können eine weitere Sanierung und Unterhaltssicherungsmaßnahmen vorgenommen werden. „Auf diesen Grundlagen können wir aufbauen und planen, was finanziell machbar ist“, meinte Erich Fenn, Vorsitzender des Homburg- und Denkmalschutzvereins sowie der amtierende Bürgermeister von Gössenheim.
Vorstellbar wäre auch ein kleiner, wissenschaftlich aufbereiteter Burgenführer. Dazu riefen die Fachleute die Bevölkerung auf, alte Postkarten oder historische Fotografien von der Homburg zur Verfügung zu stellen.
Zur Person John Zimmer (75) lebt in Luxemburg, „mitten in der Altstadt“. Über viele Jahre war der Diplom-Vermessungsingenieur mit Studium der Archäologie in Trier als Leiter des luxemburgischen Denkmalpflegeamts tätig. Zusätzlich war er Luxemburgs Vertreter im „Cháteau Gaillard“, dem internationalen Verbund von Burgenforschern. Dessen Mitglieder haben im Jahr 2014 die Homburg besucht. Gössenheims Bürgermeister Theo Gärtner hat die Gelegenheit beim Schopf gefasst und die wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte der Homburg angestoßen. Die Beteiligten sind sicher, mit Zimmer einen Glücksgriff getan zu haben. Zimmer hat die Geschichte der Luxemburger Burgen erforscht und in drei Bänden veröffentlicht. Sein größtes Projekt war bisher der „Krak des Chevalliers“, einer Kreuzritterburg in Syrien. Aus Überzeugung abgelehnt hat Zimmer den Auftrag, „Stari most“, die Brücke über die Neretva, Wahrzeichen der Stadt Mostar in Herzogowina, nach der mutwilligen Zerstörung wieder aufzubauen.