Sein erster Gedanke war: „Der gehört doch nicht hierher ..!“ Friedheim Kahnt war am Freitag mit seiner Frau Rita in der Flur des Marktheidenfelder Stadtteils Marienbrunn unterwegs, als er den großen Vogel mit dem langen, gebogenen Schnabel entdeckte. Den Kamera ständig griffbereit, wenn er auf Tour ist, fotografierte der Marktheidenfeld das Tier. Bis auf etwa 25 Meter habe er sich nähern können, erzählt Kahnt.
Als er den Vogel dann genauer sah, wurde ihm schnell klar: Das muss ein Waldrapp sein. Erst zwei Tage zuvor hatte er im Fernsehen eine Dokumentation gesehen über den Vogel, der bis ins 17. Jahrhundert auch in Mitteleuropa heimisch war, bis er nahezu ausgerottet wurde.
Kahnts erster Gedanke war so falsch nicht. Zwar gehört der Waldrapp – historisch gesehen – eigentlich auch hierher. Doch zählt er mit zu den am stärksten vom Aussterben bedrohten Vogelarten – weshalb es intensive Bemühungen gibt, den geselligen Vogel davor zu bewahren und auch wieder auszuwildern. Weil die von Menschen gehegten Tiere verlernt haben, dass sie Zugvögel sind, versuchen ihn Vogelfreunde sogar mittels Ultraleichtflugzeugen die Flugroute nach Mittelitalien beizubringen.
Aus dem Wildpark Bad Mergentheim ausgebüxt
Andrerseits gehört der Waldrapp tatsächlich nicht unbedingt auf den Acker bei Marienbrunn. Denn seine eigentliche Heimat ist der Wildpark Bad Mergentheim, hat Kahnt recherchiert. Auf seinen Fotos unschwer zu erkennen: Der Vogel ist beringt, und zwar mit einem Alu-Ring. Die von einem Forschungsprojekt betreuten Waldrappen aber tragen einen blauen Ring.
Tatsächlich erhielt Kahnt aus dem Wildpark eine Bestätigung: „Unser Waldrapp ist immer wieder mal weiter weg (meistens in Ihrer Gegend) und kehrt regelmäßig zu uns in den Wildpark zurück“, antwortete ihm Sandra Hertweck vom Wildpark-Team. „Wir machen dann das Absperrgehege für ihn auf und versuchen den Vogel hineinzulocken. Wenn es draußen nicht mehr so viel zu fressen gibt, dann wird uns das auch gelingen“, gibt sie sich zuversichtlich. „Solange müssen wir geduldig sein und freuen uns über die Meldungen, wenn er gerade mal nicht bei uns im Wildpark ist.“
Ihr Optimismus nährt sich auch daraus, dass Waldrappen sehr soziale Vögel sind, die in großen Gruppen zusammenleben. „Deshalb kehrt er immer wieder zu seiner Familie in den Wildpark zurück“, schreibt Hertweck weiter. Sie freue sich über jeden neuen Hinweis, wenn der bis zu 1,5 Kilogramm schwere Ibisvogel irgendwo auftaucht.
Erste Sichtung bereits Anfang Juli
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Waldrapp im Raum Marktheidenfeld, Luftlinie rund 50 Kilometer nordwestlich von Bad Mergentheim gelegen, gesichtet wurde. Bereits Anfang Juli hatte ein Main-Post-Leser dieses seltene Exeplar auf dem Golfplatz bei Eichenfürst fotografiert. Von dort, von der Glasofener Höhe aus, bis zur Strütt westlich von Marienbrunn sind es Luftlinie grade mal zwei Kilometer.
Seit 2013 gefördert von der Europäischen Union, bemüht sich ein Waltrappteam um die Wiederansiedelung des seltenen Vogels. „Bis 2019 soll der Waldrapp wieder ein heimischer Zugvogel werden“, ist das erklärte Ziel. So weiß dieses Team sehr genau Bescheid über die Population. „Der Waldrapp ist jener vom Tierpark Bad Mergentheim“, beantwortete Daniela Trope vom Waltrappteam eine Anfrage Klahnts. „Er wurde vor zwei bis drei Jahren vom Tierpark Rosegg in Kärnten an den Tierpark Bad Mergentheim abgegeben.“ Im Raum Marktheidenfeld sei der Vogel „seit mindestens zwei Monaten unterwegs“.
Das Projekt basiert auf den langjährigen Erfahrungen des Artenschutzprojektes Waldrappteam. Ein Schwerpunkt sind umfangreiche Maßnahmen gegen den illegalen Abschuss von Waldrappen in Italien.