Mit dem lapidaren Vermerk "vermisst" findet sich in den Verlustlisten der ehemaligen Deutschen Luftwaffe der einzige "Hinweis" auf den jungen Weltkrieg-II-Piloten, dessen Spur sich am 30. März 1945 über dem Spessart verliert. Möglicherweise lässt sich Genzels Schicksal mit Hilfe von Augenzeugen doch noch aufklären.
Rückblende. In der Karwoche 1945 befinden sich US-amerikanische Heeresverbände im gesamten Spessartraum im Vormarsch auf das noch unbesetzte "Rest-Deutschland". Längst wird der Luftraum von der US-Airforce beherrscht. Die Mustangs, Thunderbolts und Lightnings setzen den deutschen Truppen schwer zu - auch zwischen Himmel und Erde sind sie längst der "Herr im Hause". Der Rückzug der deutschen Heeresverbände nimmt mitunter panikartige Ausmaße an.
"Feindaufklärung" und "Wettererkundung" stehen auf dem Einsatzbefehl, mit dem auf dem deutschen Fliegerhorst Malmsheim bei Stuttgart am Karfreitag-Morgen 1945 zwei Messerschmitt-Jäger des Jagdgeschwaders 53 starten - ihr Ziel ist der Großraum Aschaffenburg. Im Cockpit der Me 109 sitzen der Leutnant Karl-Heinz Trettau und der junge Unteroffizier Heinz Genzel, für den dieser Einsatz zu einem "Flug ohne Wiederkehr" werden sollte. Genzel, knappe 20 Jahre alt, verfügt, wie viele andere junge Nachwuchspiloten in den letzten Kriegsmonaten, über wenig Flugerfahrung. Bekannt ist, dass die Luftwaffe die "jungen Spunde" buchstäblich verheizt - Genzel hatte bis zu seinem Start in Malmsheim gerade mal fünf Feindflüge in seinem Flugbuch stehen - sein Flugzeug, die Me 109, war nicht einfach zu fliegen und verlangte Könner am Steuerknüppel.
Der 34jährige Metallbaumeister Hilmar Lang aus Ansbach ist Experte in Sachen Weltkrieg-II-Luftfahrt und Mitarbeiter eines kürzlich erschienen Buches über die Geschichte des Jagdgeschwaders 53. Lang gehört einer siebenköpfigen Suchgemeinschaft an, die sich um ungeklärte Fliegerschicksale kümmert und um deren Aufklärung bemüht ist. Boss dieser Truppe ist der 44-jährige Kraftfahrzeugmechaniker-Meister Herbert Bethke aus Aalfeld bei Hannover. Der Suchgemeinschaft ist es gelungen, in den vergangenen 26 Jahren 101 abgestürzte deutsche und alliierte Flugzeuge "aus dem Boden zu holen" und 42 Pilotenschicksale aufzuklären. Land und seine Kollegen arbeiten eng mit dem Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes und mit der Deutschen Kriegsgräberfürsorge zusammen.
Hilmar Lang ist es gelungen, den Messerschmitt-Piloten Karl-Heinz Trettau ausfindig zu machen und ihn über die Vorgänge des 30. März 1945 zu befragen. Trettau, der 78jährig in Garmisch-Partenkirchen lebt, konnte recht präzise Angaben über seinen Einsatzflug vor 55 Jahren machen. Dieser beginnt nach der Ankunft über dem Spessart mit einem Tiefangriff auf amerikanische Bodentruppen. Dabei gelingt es ihm, einige Fahrzeuge in Brand zu schießen, während sein Rottenkamerad Genzel für ihn "die Luft sauber hält" und aufpasst, damit kein amerikanisches Flugzeug in die Quere kommt. Bei einem zweiten Angriff wird Leutnant Trettau selbst getroffen - ihm gelingt es, mit dem Fallschirm sicher zur Erde zu kommen. Bald nach seiner Landung in einem Waldstück bei Altenbuch wartet auf ihn die amerikanische Kriegsgefangenschaft.
Während seines Fallschirmabsprungs sieht Trettau, wie sich sein Rottenkamerad Genzel "aus dem Staube macht" und offenbar ziellos die Flucht ergreift, seine Abflugrichtung lässt sich nicht mehr genau feststellen. Mit Trettaus Beobachtung verliert sich auch die Spur des jungen Unteroffiziers.
Die bisherige Vermutung, dass Genzel über dem Dillberg bei Marktheidenfeld auf Lengfurter Gemarkung abgestürzt ist, hat sich nicht bestätigt. Die hier unter der Erde liegenden Reste einer Me 109 konnten mittlerweile dem Luftwaffen-Unteroffizier Walter Bade zugeordnet werden, der bislang "südlich von Würzburg" vermisst worden war. Augenzeugen aus Marktheidenfeld und Erlenbach erinnern sich an Bades Absturz, der sich nach einem Angriff auf alliierte Bomberverbände auf Schweinfurt am 14. Oktober 1943 ereignete und somit lange vor dem Karfreitag 1945 lag. Bei den auf dem Dillberg liegenden Flugzeugresten war ein Teil mit einem "springenden Pferd", dem Geschwaderwappen von Bades in Schleswig-Holstein liegender Einheit, gefunden worden.
Der Ansbacher Hilmar Lang weiß, dass Heinz Genzels Eltern sich Anfang der fünfziger Jahre beim Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes nach dem Schicksal ihres Sohnes erkundigt haben. Fünf Suchanträge blieben ohne Erfolg. Jetzt hofft Hilmar Lang, mit Hilfe von Augenzeugen, das Schicksal von Heinz Genzel doch klären zu können. Er schließt nicht aus, dass in den Wirren der letzten Kriegswochen irgendwo im Großraum Mainviereck "unterging". Gezielt sucht er nach möglichen Augenzeugen, die am Karfreitag-Vormittag 1945 den Absturz eines deutschen Messerschmitt-Jägers gefunden oder kurz darauf Flugzeugreste entdeckt haben, dies bislang noch keine Zuordnung fanden.
Eine Nachricht bittet er an folgende Adresse: Hilmar Lang, Waldzeller Strasse 31, 97849 Roden-Ansbach, Tel. (0 93 96) 21 76.