Im April sollte auf dem Vorplatz des Würzburger Bahnhofs der "Denkort Deportationen" eröffnet werden. Die gegenwärtige Corona-Krise zwingt den Kreis der Initiatoren aber dazu, diesen Termin zu verschieben. In Urspringen wurde fristgerecht ein Beitrag zur Erinnerung an die Verfolgung und Vernichtung der jüdischen Gemeinden in Unterfranken fertiggestellt.
Die Grundidee des Denk- und Mahnmals in Würzburg ist, mit der Nachbildung von Gepäckstücken an die über 2000 jüdischen Opfer des Holocausts aus Unterfranken zu erinnern. Mit geringem persönlichem Handgepäck mussten die jüdischen Bürger bei acht Deportationen zwischen November 1941 und Januar 1944 ihren Weg in die Vernichtung antreten.
42 Juden aus Urspringen wurden deportiert
Dies galt auch für 42 Juden aus Urspringen, die am 23. April 1942 aus ihrem Heimatort zum Sammelort "Platz’scher Garten" nach Würzburg gebracht wurden. Zwei Tage später mussten sie zum Güterbahnhof Aumühle marschieren und wurden mit dem Zug nach Krasnystaw in die Region Lublin im heutigen Polen gebracht. Über das Durchgangslager Krasniczyn führte ihr Weg zur Ermordung in die nationalsozialistischen Vernichtungslager von Sobibor oder Belzec.
Mit dem "Denkort Deportationen" soll öffentlich an dieses Verbrechen erinnert werden. 1933 hatte es noch über 100 jüdische Gemeinden in Unterfranken gegeben. Die heutigen Kommunen wurden dazu aufgefordert, wenn möglich unter Beteiligung jüngerer Menschen Nachbildungen von Koffern, Rucksäcken oder Deckenrollen künstlerisch anfertigen zu lassen um sie am vorbereiteten Denkort in Würzburg aufzustellen. Ein entsprechendes Duplikat soll an einem öffentlichen Ort in der jeweiligen Heimatgemeinde an die Geschehnisse erinnern. Beschriftungen an den Exponaten verdeutlichen die Herkunft und die Zusammenhänge.
Einer von fünf Dutzend Beiträgen
Über 60 Beiträge wurden inzwischen zugesagt. Zur geplanten und nun verschobenen Eröffnung wären bereits 40 Gepäckstücke aus unterschiedlichen Materialien zur Verfügung gestanden. Einige eigentlich nicht direkt betroffene Gemeinden aus Unterfranken sicherten überdies finanzielle Unterstützung zu.
In der früheren Synagoge in der Ortsmitte wurde nun der Beitrag aus Urspringen vorgestellt. Die Gemeinde und der Förderkreis Synagoge Urspringen wichen in Absprache mit ihrem gemeinsamen Projekt leicht von den eigentlichen Vorgaben ab.
Was es mit dem Original auf sich hat
In der Synagoge befindet sich seit dem Jahr 2015 ein großer Überseekoffer, der sich auf einem Dachboden erhalten hatte. Nach Zeitzeugenberichten sollte er ursprünglich dem Ehepaar Hilda und Hermann Landauer zu deren geplanten Auswanderung in die USA dienen. Der Landwirt war seit 1936 als Stellvertreter seines Schwagers Justin Adler in der Leitung der israelitischen Gemeinde aktiv. Sohn Isfried konnte 1939 über die Sowjetunion nach Palästina auswandern.
Im Koffer befinden sich neben Heimtextilien aus dem Anwesen Landauer ebenso Dinge, insbesondere Bücher, aus dem Besitz des Landmaschinenhändlers Justin Adler und seiner Frau Lina. Auch Familie Adler wurde mit ihren beiden Kindern Manfred und Inge wie das Ehepaar Landauer Opfer der Deportation im April 1942.
Authentische Zeugnis
Obwohl der Koffer schon aufgrund seiner Größe im engeren Sinn nichts mit dem eigentlichen Deportationsgepäck zu tun hat, entschloss man sich in Urspringen, dieses authentische Zeugnis zum Ausgangspunkt des Beitrags für das Würzburger Denkmal zu machen. Der Koffer selbst wird so in der früheren Synagoge zum Gegenstück am Würzburger Hauptbahnhof und mit einer entsprechenden Beschriftungstafel ausgestattet werden.

Um nicht aus dem Rahmen zu fallen, galt es eine Miniatur des Originals anzufertigen. Dieser Aufgabe widmete sich der Urspringer Holz- und Motorsägekünstler Andreas Öhring. Der gelernte Maurer fertigte in nahezu 20 Arbeitsstunden ein verkleinertes Abbild des Überseekoffers aus massivem Eichenholz. Nach der groben Sägearbeit schnitzte Öhring die Details wie die Beschläge in den etwa einen Zentner schweren Holzblock ein, polierte den Koffer und versah ihn mit einem Schutzanstrich.
Offene Fragen
Die Vorsitzende des Förderkreises, Christine Kasamas, zeigte sich wie Bürgermeister Volker Hemrich beeindruckt und begeistert von der kunstfertigen Ausführung. Ein Mitarbeiter des Gemeindebauhofs wird den Urspringer Koffer nun nach Würzburg bringen. Wann er dort aufgestellt wird und wann der "Denkort Deportationen" eröffnet wird, ist vorläufig noch offen. Hemrich bedankte sich bei Öhring in Namen der Gemeinde für das eindrucksvolle Kunstwerk.
Nebenbei wies Kasamas darauf hin, dass der für Freitag geplante "Kulturelle Abend" in der früheren Synagoge auf den 16. Oktober verschoben wurde.