Klettern im Hochseilgarten, Ritterhelme basteln oder durch den Spessart wandern – dass es außerhalb der virtuellen Welt von Smartphone und Konsole Einiges zu erleben gibt, diese Erfahrung können junge Besucher der Burg Rieneck machen.
Zahlreiche Aktionen bietet die Burg für Besuchergruppen mit hauptsächlich jüngeren Teilnehmern von 10 bis 15 Jahren. Die Besucherschaft ist international, auch aus Kanada oder Neuseeland kommen Gruppen angereist. Sogenannte Erlaubnispädagogen betreuen beziehungsweise koordinieren die Freizeitangebote. Was ist unter diesem Beruf zu verstehen?
Anne Siegmund, 31, Erlebnispädagogin auf der Burg Rieneck, erzählt, dass man das Fach „Abenteuer- und Erlebnispädagogik“ sogar studieren kann. Angeboten werde der Studiengang unter anderem an der Universität in Marburg, wo sie studiert hat. Reich werden könne man in diesem Beruf aber nicht, der Verdienst gleiche einem Erzieherinnengehalt, das sei „verdammt wenig“, sagt Siegmund. „Das ist bitter“, unterstreicht die 31-Jährige, die aus der Nähe von Wiesbaden stammt, ihre Aussage. Für Freiberufler sehe es etwas besser aus, da seien 1000 Euro netto drin.
Gruppen- und Einzelprojekte
Das Aufgabenfeld reicht in diesem Beruf von der Betreuung von Gruppenprojekten bis hin zu Einzelaktionen mit individueller Betreuung einer Person. Diese Personen, hauptsächliche Jugendliche, stammen meist aus einem problematischen Umfeld.
Derartige Einzelmaßnahmen gibt es in Rieneck allerdings nicht. Anne Siegmunds Arbeitsschwerpunkt auf der Pfadfinderburg liegt eher auf Gruppenaktivität. Als Erlebnispädagoge hat sie an der Burg ein breites Feld an Aufgaben. Das geht von der Erstellung eines Programmangebots, über die Programmleitung bis hin zur Koordination im Hintergrund. Auch die Leitung der FSJler, also der Jugendlichen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) auf der Burg absolvieren, obliegt ihr.
Besonders steht die Mensch-Natur-Beziehung im Fokus ihrer Projekte auf der Burg. Deshalb findet ein Großteil der Aktionen im Freien statt. Kinder lernen beispielsweise einiges über heimische Pflanzen: „Dass man eine Brennnessel auch mal in den Mund nehmen kann, und es nicht brennt. Und wenn es doch brennt, zu wissen, wo der nächste Spitzwegerich wächst, um diesen Schmerz zu lindern.“ So umreißt Siegmund ein Projekt, das die Heilwirkung regionaler Pflanzen vermittelt.
Auch das Thema Mittelalter spielt eine Rolle bei der Programmgestaltung auf der Burg. Passend zur Atmosphäre des alten Gemäuers können die Teilnehmer beim Kochen wie im Mittelalter schmackhafte Gerichte auf altertümliche Weise zaubern. Die Zutaten dafür sammeln sie unter anderem im Schatten der Burgmauern. Auch auf die Frage, wie man damals Feuer gemacht hat, findet sich eine Antwort. Für die jüngeren Besucher gibt es ebenfalls Workshops, zum Beispiel, um Ritterhelme zu basteln.
Der zentrale Aspekt der Angebote ist jedoch das sogenannte „Teambuilding“. Das heißt, dass die meisten Aktionen außer Spaßhaben noch ein anderes Ziel haben, nämlich die Stärkung des Zusammenhalts in der Gruppe. Bestes Beispiel dafür ist der Hochseilgarten. An einer der Stationen müssen beispielsweise vier Leute in den Bäumen hängende Plattformen vom Boden aus mit einem Seil ausbalancieren, sodass sich eine fünfte Person darüber bewegen kann. Das erfordert neben Mut auch Vertrauen in die Teampartner.
„Der Hochseilgarten ist sehr ehrlich“, erklärt die Erlebnispädagogin und schaffe neuen Zusammenhalt innerhalb der Gruppe. Denn gerade beim Klettern hoch oben in den Bäumen zeige sich, dass niemand, unabhängig davon, wie sein Status innerhalb der Gruppe sei, vor Angst gefeit sei. Nicht nur mit der gegenseitigen Unterstützung überzeugt der burgeigene Hochseilgarten, sondern auch mit einer individuellen Komponente. Hier erhalte man die Möglichkeit, sich seinen Ängsten zu stellen und über sich hinaus zu wachsen, sagt Siegmund.
Baldiger Abschied
Oft übernimmt die Erlebnispädagogin nicht selbst die Leitung des Programms, sondern überlässt den Lehrern oder jeweiligen Gruppenleitern nach vorangegangener Instruktion die Koordination der Projekte. Die Idee dahinter sei „Hilfe zur Selbsthilfe“. Siegmund, die seit 2012 in Rieneck auf der Burg arbeitet, packt schon wieder die Koffer: Bis zum Mai hin wird sie Rieneck verlassen und nach Wiesbaden zurückkehren. Für die Nachfolge ist schon gesorgt, ab Mai wird Tamara Postelt Siegmunds Stelle übernehmen.