Eine tüchtige Portion Mut hat schon dazu gehört, schließlich spielte die Theatergruppe Büchold zu ihrem 40-jährigen Bestehen nicht irgendein Volksstück, sondern mit dem "Wirtshaus im Spessart" einen besonderen Klassiker, der 1958 als Film mit Liselotte Pulver zu einem Hit wurde. Doch obwohl die Latte damit sehr hoch lag, zeigten die Bücholder keine Bange, denn sie setzten den wunderschönen Stoff so um, wie er zu ihnen passt - eben bücholderisch.
Die Handlung ist gewiss bekannt: Eine böse Bande von Spessarträubern nimmt die Comtesse als Geisel, um von deren Vater Lösegeld zu erpressen. Im zwielichtigen Wirtshaus im Spessart gelingt ihr aber der Rollentausch mit dem fahrenden Gesellen Felix und sie kehrt zum Vater heim, um das Lösegeld zu holen. Doch der geizige Graf schickt nur einen Teil des Geldes und zusätzlich das Militär. Die bösen Räuber werden dingfest gemacht, die Paare finden sich und alles kommt ins Lot.
Traumhafter Spielort vor der Schlossmauer
Wie man es schon von früheren Aufführungen kennt, leben die Stücke der Theatergruppe Büchold von zwei Besonderheiten. Da ist vor allem die unglaubliche Freude aller Akteure an ihrem Tun und an den traumhaften Spielorten wie diesmal wieder der grandiose Hintergrund der Schlossmauer. Dass das Wetter mit angenehmen Temperaturen mitspielte, war dann das Sahnehäubchen. Ein besonderes Lob geht aber auch an die einfache, aber bestechende Kulisse.

Weil es bei der Adaption des Hauff-Märchens von Kurt Egreder eigentlich keine Haupt- oder Nebenrollen gibt, steht hier das gesamte Ensemble im Mittelpunkt. Das beginnt schon mit der pfiffigen Moritatensängerin Margot Heilmann mit ihrem putzigen Tanzbärlein Karl Wendel. Umwerfend auch das Spiel von Natalie Dees als Major der chaotischen Militärtruppe. Keine Angst zeigte sie vor dem großen Vorbild Hubert von Meyerinck aus dem Film. Statt dessen preußisch-berlinerischer Schnauze begeisterte sie ebenso zackig und schnöselig mit sächsischem Dialekt. Ihre Chaotentruppe, die Soldaten (Daniel Lambrecht, Christian Bäuerlein, Claus Gehrig und Sebastian Wendel) herrlich trottelig, in preußisch-blau waren ein echter Augenschmaus.
Frauen spielen auch männliche Rollen
Wegen des Damenüberschusses werden bei der Bücholder Theatergruppe manche männliche Rollen kurzerhand mit Frauen besetzt. Neben dem weiblichen Major gibt es daher auch den ruppigen Räuber Basti, der von Brigitte Gehrig glaubhaft umgesetzt wird. Nur kurz ist die Wirtin des Wirtshauses zu sehen, aber in den wenigen Szenen setzt Sonja Holzinger ihre ganz besonderen Akzente. Keifend, geldgierig und skrupellos reißt sie das Publikum mit – nicht zuletzt dank der perfekten Maske durch Margarete Füller.
In weiteren Rollen spielten Detlef Müller (Hauptmann), Rainer Geis (Räuber und Graf), Steffen Weber (Räuber) sowie die beiden Wanderburschen Elmar Schmitt und Dominik Joa. Christiana Strömel spielte die Comtesse, Natalie Schmitt die Zofe Emma, Linda Volk das Schankmädchen, Anton Staat den Kutscher und Josef Brendel den Wirtsdiener Jakob.
Leiser Humor und pfiffiger Wortwitz
Selbstverständlich geht bei der Theatergruppe Büchold kein Weg am "spiritus rector" Peter Fuchs vorbei. Auch wenn er sich als Räuber Mathes "nur" in die Bande einzureihen hatte, stach er doch immer wieder mit seinem einzigartigen, spitzbübischen Humor hervor. Mal hilflos, verschlafen oder auch verschlagen und dann doch wieder das Herz auf dem rechten Fleck, Fuchs hat die gesamte schauspielerische Palette drauf. Charmant übernahm er auch als Moderator die Begrüßung der Gäste, darunter die Schirmherrin, die Staatssekretärin Anna Stolz sowie die beiden Hausherren von Schloss Büchold, Susan Schubert und Henning Glawatz.
Das Bücholder "Wirtshaus im Spessart" bestach in der Fassung von Kurt Egreder durch leisen, zurückhaltenden Humor und oft pfiffigen Wortwitz. Natürlich gab es auch derbe Momente, aber keine platten Schenkelklopfer. Lang anhaltender Beifall war dem Ensemble der Lohn für die Premiere.
